Grüne wollen Ministerin Reiche notfalls vor Ausschuss zitieren
Die umstrittene Förderung der Firma GovRadar durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) wird nun auch im Bundestag ein Thema. Die Grünen haben nach SPIEGEL-Informationen beantragt, die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu setzen, die am Mittwoch stattfindet.
An der GovRadar GmbH, die Software-Lösungen für Behörden anbietet, ist der frühere Bundeswirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beteiligt, der seit längerer Zeit eine Beziehung mit CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche führt. Laut einer SPIEGEL-Recherche wurde am 8. September, rund vier Monate nach Reiches Amtsantritt, die Auszahlung von Fördermitteln in Höhe von 287.236 Euro aus Mitteln des BMWE an GovRadar bewilligt.
Die Grünen haben in den vergangenen Tagen mehrere schriftliche Anfragen an die Bundesregierung gerichtet. Sie wollten etwa wissen, ob und wann Reiche von der Förderung gewusst habe und ob Maßnahmen ergriffen wurden, um »auch nur den Anschein von Einflussnahme auf Bewilligung, Auszahlung und ministerielle Kontakte zu GovRadar auszuschließen«.
Eine direkte Antwort darauf vermied das Ministerium. Stattdessen antwortete es ähnlich wie auf eine vorherige Anfrage des SPIEGEL: Die Förderung sei im Rahmen des sogenannten Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) erfolgt, das von beliehenen Projektträgern verwaltet werde. Diese würden die Förderanträge von Unternehmen prüfen und bewilligen, es bestehe kein direkter Kontakt zwischen den Firmen und dem Ministerium. Ministerin Reiche sei »zu keinem Zeitpunkt mit der Förderentscheidung und -umsetzung befasst« gewesen. Ob sie aber von dem Vorgang wusste, bleibt weiterhin unbeantwortet.
Grüne kritisieren ausweichende Antworten
Zudem gab es durchaus einen direkten Kontakt zwischen Ministerium und GovRadar: Im Juli dieses Jahres kam es zu einem virtuellen Termin des zentralen Vergabereferats des Ministeriums mit Vertretern der Firma, wie das Ministerium bereits eingeräumt hatte. Auf die Frage der Grünen, welche Kontakte es seit Reiches Amtsantritt im Mai zwischen Vertretern des Wirtschaftsministeriums und der GovRadar GmbH gab, nannte das Ministerium ebenfalls nur den Termin im Juli.
Die Grünen fragten auch, ob das BMWE ausschließen könne, dass außer GovRadar weitere Unternehmen, in die »Angehörige bzw. Partner der Bundesministerin investiert haben«, Zuwendungen, Fördermittel oder Vorteile erhalten hätten. Doch auch diese Frage beantwortete Staatssekretär Frank Wetzel nicht direkt. Stattdessen referierte er vor allem die geltenden Integritätsregeln für Mitglieder der Bundesregierung und Mitarbeitende der Bundesverwaltung.
»Die Antworten aus dem Ministerium sind ausweichend und hinterlassen mehr Fragezeichen, als sie Antworten ergeben«, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Michael Kellner. »Wir haben daher beantragt, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Ausschusses zu setzen. So wollen wir die Tegernsee-Connection aus den Hinterzimmern holen.« Falls nötig, komme auch infrage, Ministerin Reiche im Januar persönlich vor den Ausschuss zu zitieren.
Guttenberg bestreitet Rolle beim Einwerben der Förderung
Guttenberg wurde 2023 mit seiner Investmentfirma Gesellschafter bei GovRadar. Sein Anteil beträgt zwar nur ein Prozent. Allerdings ist es unter Risikokapitalgebern üblich, kleine Minderheitsbeteiligungen an vielen Start-ups zu halten, um das hohe Risiko zu streuen. Die Hoffnung dahinter ist, dass ein explosiver Wertgewinn weniger Firmen die Verluste bei den anderen mehr als wettmacht.
Das Geschäftsmodell von GovRadar könnte genau zur richtigen Zeit kommen. Die Bundesregierung plant Hunderte-Milliarden-Euro-schwere Investitionen, und GovRadar behauptet, den Aufwand bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen in Behörden um 90 Prozent reduzieren zu können.
Guttenberg selbst erklärte, er würde für keine der Firmen, in die er investiert sei, Mitglieder der Bundesregierung »befassen« – »schon gar nicht meine Lebensgefährtin«. »Alles andere wäre bereits aus privaten Gründen undenkbar.« Auch würde er »generell nicht als Lobbyist« arbeiten. Über seinen Anwalt ließ Guttenberg später mitteilen , er habe er bis zur SPIEGEL-Berichterstattung »als passiver Anteilseigner von weniger als einem Prozent an GovRadar weder Kenntnis von Förderanträgen noch der erfolgten Förderung« gehabt. Ebenso wenig habe er sich jemals darüber mit Reiche ausgetauscht.
Ähnlich äußert sich GovRadar-Gründer und Geschäftsführer Sascha Soyk: »Herr zu Guttenberg war zu keinem Zeitpunkt für GovRadar mit den genannten Bundesministerien oder Förderanträgen befasst oder anderweitig involviert.« Außer dem Investment der Guttenberg Ventures GmbH von 2023 gebe es »weder ein operatives noch beratendes Mandat von Herrn zu Guttenberg oder seiner Firma«.
Grünenpolitiker Kellner: »Die Tegernsee-Connection aus den Hinterzimmern holen«
Foto: Metodi Popow / picture alliance