Werden Tiere in der Stadt klüger?

Ausnahmsweise erzähle ich Ihnen nun von einem Ereignis aus meinem Alltagsleben. Anders als meine Familienmitglieder, mit denen ich in einem Haus im Zentrum einer Kleinstadt lebe, stehe ich meist gegen 5.30 Uhr auf, genieße die Ruhe des beginnenden Tages und lese auf meinem Sessel vor der großen Wohnzimmerfensterscheibe. Vor einigen Wochen hatte ich dabei eine überraschende Begegnung, denn auf der anderen Seite des Fensters stand plötzlich, nur fünf oder sechs Meter entfernt, ein Storch auf unserem Rasen und pickte im Gras herum. Das war eindrucksvoll, und ich musste wieder an diesen wunderbaren Moment denken, als ich den neuen Text meines Kollegen Olaf Stampf über Wildtiere in der Stadt las.

Störche sind keine ganz so neuen Gäste in den Städten, sie nisten traditionell auch auf Dächern mitten in den Zentren. Dass sie zum Fressen in eingezäunten Privatgärten landen, kommt aber noch immer eher selten vor. Womöglich ändert sich das nun, zumal der Bestand der gefiederten Riesen in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. Die Störche wären dann auf jeden Fall in guter Gesellschaft, denn immer mehr Wildtiere verlieren die Scheu vor den Menschen und wissen die Vorzüge des urbanen Raumes zu schätzen.

Manch einem dürften als Erstes die penetranten Waschbären einfallen, die ihre Lager vielerorts etwa auf Dachböden aufschlagen und prächtig von dem leben, was die menschlichen »Untermieter« so übrig lassen. Auch Füchse sind immer öfter in den Citys und Dorfkernen unterwegs. Während die Räuber auf dem Land oft große Reviere durchstreifen müssen, um Beute zu machen, ist der Tisch dort, wo viele Menschen leben, meist reichlich gedeckt. »Die Aggression zwischen den Füchsen nimmt daher ab«, schreibt Stampf.

Könnten gar neue Arten entstehen?

Das Stadtleben hat auf das Sozialverhalten mancher Tiere offenbar einen so gravierenden Einfluss, dass Wissenschaftler eine Art »Turbo-Evolution« für möglich halten. Städtische Verhaltensweisen würden so schnell an Nachkommen weitergegeben, dass sogar neue Arten entstehen könnten – ein Prozess, der normalerweise viele Jahrtausende dauert. Erste Hinweise gibt es schon, etwa bei Wühlmäusen. Die Schädel der kleinen Nager, die in den Städten leben, unterscheiden sich bereits auffällig von denen der Verwandten vom Land. Innerhalb weniger Jahrzehnte schrumpften Teile des Innenohrs. Der Effekt ist, dass der städtische Lärmpegel für die Nager erträglicher wird.

Mein Kollege nennt etliche andere Beispiele, wie sich Tiere in der Stadt verändern, auch mit Blick auf die Intelligenz. Besonders eindrucksvoll finde ich die Geschichte der Kakadus, die in Sydney lernten, mittels einer komplexen Drehbewegung öffentliche Wasserspender zu betätigen und Mülltonnen zu öffnen. Derlei Innovationen ereignen sich übrigens nicht immer zur Freude der Stadtbevölkerung. »Es drohen auch Konflikte«, schreibt Stampf. Welche das sind, lesen Sie hier. 

Herzlich

Ihr Guido Kleinhubbert

Außerdem empfehle ich Ihnen:

  • Düstere Geheimnisse: In einer Benediktinerabtei wurde zufällig ein mysteriöses Fragment aus dem Mittelalter gefunden. Der Inhalt gab Rätsel auf, dann machte ein Forscher eine vulgäre Entdeckung. 

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  • Luftfahrt: Der deutsche Flugtaxipionier Volocopter aus Baden war der Pleite nahe, bis Chinesen die Firma retteten. Bald soll das erste Modell für Kurzstrecken zugelassen werden. 

  • Nachgeforscht: Das Hotel ist gebucht, die Koffer gepackt. Doch dann kratzt der Hals, der Kopf schmerzt, die Nase tropft. Ausgerechnet Urlauber plagen häufig Krankheiten. Ein Arzt erklärt, was an dem Phänomen dran ist. 

  • Astronomie: Wissenschaftler berichten, sie hätten Blitze auf dem Mars nachgewiesen – mithilfe von Tonaufnahmen. Die elektrischen Entladungen könnten auf künftigen Marsmissionen Probleme bereiten. 

  • Monogamie: Eine exklusive, ewig währende Liebe gilt für viele Menschen bis heute als ideal. Warum ist das so? Eine Spurensuche in der Steinzeit. 

  • Fotografie: Ein Mensch, der kopfüber vom Himmel fällt – direkt vor der Sonne: Diese Aufnahme begeistert Hunderttausende Menschen in sozialen Netzwerken. Wie ist ein solches Bild möglich? 

Bild der Woche

Über eine halbe Million Männer, Frauen und Kinder starben im Spanischen Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939. Der Mensch, dessen Skelett vor wenigen Tagen bei Granada von einer Archäologin mit einem Staubsauger gesäubert wurde, war eines der Opfer. Seine Überreste lagen in einem der Massengräber, in denen das faschistische Regime von Diktator Franco seine getöteten Gegner verschwinden ließ. Noch immer wird nach den Gebeinen Tausender Vermisster gesucht. Manchmal gelingt es, sie über DNA-Tests zu identifizieren.

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Fuchs in einem Stadtzentrum: Der Tisch ist reichlich gedeckt

Foto: Jim Dyson / Getty Images
Foto: Jorge Guerrero / AFP

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