Der Süden und Osten Europas trocknen aus – und Deutschland zählt noch dazu
In weiten Teilen Europas schwinden die Reserven an Süßwasser. Das ergab eine Auswertung von Satellitendaten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten, über die der »Guardian« am Samstag berichtete .
Laut Forschern vom University College London (UCL) hat der Wasseranteil an der Landmasse von 2002 bis 2024 dramatisch abgenommen. Darin erfasst seien sowohl die Oberflächengewässer wie Flüsse, Seen und Talsperren, Gletscher und Bodenfeuchte als auch das tiefer liegende Grundwasser.
Vor allem der Osten und der Süden des Kontinents würden trockener – wozu allerdings auch noch Länder wie Frankreich, Deutschland und Teile Großbritanniens zählten, berichtet das Fachteam. Im Norden und Nordwesten werde es hingegen nasser, besonders in Skandinavien. Im Laufe der Zeit werde der Trend immer deutlicher.
Die Forscher haben Änderungen des Erdschwerefelds ausgewertet, die von Satelliten des Klimaexperiments GRACE erfasst wurden. Weil Wasser schwer ist, können Forschenden im Prinzip wiegen, wie hoch der Wassergehalt in der Landmasse ist. Die Daten machten den Klimakollaps sichtbar, sagte UCL-Hydrologieprofessor Mohammad Shamsudduha der britischen Zeitung.
Winternässe füllt Grundwasser kaum noch auf
Die Originaldaten wurden bislang nicht veröffentlicht und wissenschaftlich begutachtet. Sie passen aber zu einer Studie, die zuvor im Fachblatt »Science« erschienen ist. Diese belegte, ebenfalls anhand von GRACE-Daten, ein weltweites Austrocknen der Böden. Die Massen der Erde verschieben sich demnach so stark, dass der Planet taumelt. Lesen Sie hier mehr: Wo sind die 2600 Milliarden Tonnen Wasser hin?
Insgesamt geht der Erde im Wasserkreislauf kein Wasser verloren. Doch der Anteil des Salzwassers in den Meeren steigt, der von Süßwasser etwa in Flüssen und Seen sinkt. Somit droht der Menschheit eine Wasserkrise.
Neben besonders trockenen Regionen im Nahen Osten, Teilen Asiens und Lateinamerikas gilt dies laut der neuen Studie auch für Europa. »Auch wenn die gesamte Regenmenge stabil bleibt oder sogar steigt, verändert sich das Muster«, sagte Shamsudduha. Die Niederschläge würden heftiger, die Dürreperioden vor allem im Sommer länger.
Grundwasser sei zwar grundsätzlich weniger direkt vom Klima beeinflusst als die Wasserreserven an der Erdoberfläche, so der Forscher. Doch in den Daten zeigten sich die zunehmenden Extreme auch in der Tiefe: Starkregen fließe schnell in Richtung Meer ab, weil der Boden die Wassermengen nicht aufnehmen kann. Und die Feuchtperioden im Winter seien zunehmend zu kurz, um das Grundwasser wieder aufzufüllen.
Shamsudduha sprach von »weitreichenden Folgen« für die Landwirtschaft und Nahrungsversorgung. Europa müsse seinen Umgang mit Wasser umstellen, weil der Kontinent sich etwa auf den Gemüse- und Obstanbau in Spanien wegen der dort schwindenden Wasserreserven nicht mehr verlassen könne.
Nötig seien neben Wassersparen und Aufbereitung von Brauchwasser auch »neue, ungewöhnliche Ideen« wie das großflächige Sammeln von Regenwasser in Regionen wie England. Die Politik solle die neuen Ergebnisse als »Weckruf« verstehen, sagte Shamsudduha: »Wir müssen akzeptieren, dass der Klimawandel real ist und uns betrifft.«
Ausgetrockneter Stausee in Spanien (2024)
Foto: Emilio Morenatti / dpa