Russische Interkontinentalrakete explodiert offenbar bei Test
Mehreren Berichten zufolge hat das russische Raketenprogramm einen erneuten Rückschlag erlitten. Am Freitag sei eine Interkontinentalrakete kurz nach dem Start vom Kosmodrom Jasny im Gebiet Orenburg nahe der Grenze zu Kasachstan explodiert, heißt es in mehreren Militärblogs und Einträgen auf Social Media.
Ein auf der Plattform Telegram gepostetes Video zeigt, wie eine Rakete aus der Steppe abhebt, nach wenigen Sekunden zur Seite kippt, Feuer fängt, eine qualmende Last abwirft und schließlich nahe dem Startplatz in einem großen Feuerball auf der Erde einschlägt. Offiziell wurde der Vorfall bisher nicht bestätigt.
Verschiedene Experten vermuten, dass es sich bei der Rakete um das Modell RS-28 Sarmat handelt. Diese dreistufige ballistische Rakete soll mehr als 200 Tonnen wiegen, über 35 Meter hoch sein und mehr als zehn Sprengköpfe tragen können. Mit einer angeblichen Reichweite von bis zu 18.000 Kilometern könnte das System fast jeden Punkt der Erde treffen.
Die Nato hat dem System den Codenamen SS-X-30 Satan 2 gegeben. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Sarmat als »wirklich einzigartige Waffe« gerühmt, die jede moderne Raketenabwehr überlisten könne.
Der »Sarmat-Fluch«
Bislang gelang jedoch erst ein Testflug auf der Langstrecke, im April 2022. Mehrere weitere Versuche schlugen fehl, obwohl die russischen Streitkräfte die Waffe zwischenzeitlich für serienmäßig einsatzbereit erklärten. Besonders verheerend war eine Explosion im September 2024 am Kosmodrom Plessezk im Norden Russlands. Dabei wurde anscheinend auch das unterirdische Silo komplett zerstört, aus dem die Rakete starten sollte.
Vom »Sarmat-Fluch« schreibt der französische Rüstungsforscher Étienne Marcuz von der Fondation pour la Recherche Stratégique auf der Plattform X. Er könne anhand der Bilder zwar nicht ausschließen, dass es sich statt der Sarmat um den Hyperschallgleiter Avangard handle, der früher schon auf einer Rakete von einem Silo in Jasny aus gestartet worden war. Diesmal habe das russische Militär jedoch ein anderes Silo genutzt. Dieses sei eilig im Laufe des Jahres renoviert worden, was dafür spreche, dass Jasny als Ersatzstartplatz für die zerstörte Sarmat-Basis in Plessezk diente. Dass für den Hyperschallgleiter Avangard »eilig ein Testsilo errichtet wurde, wenn bereits eines existierte, ist unwahrscheinlich«, so Marcuz.
Geplantes Ziel des Testflugs sei wahrscheinlich das Raketentestgelände Kura auf der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands gewesen, schreibt der Experte. Für die Strecke dorthin hätten die Behörden vor dem Test eine Warnung für die Luftfahrt herausgegeben.
Das russische Militär müsse die Sarmat dringend fertigstellen, erklärt Marcuz. Es liege bereits Jahre hinter dem Zeitplan. Die Sarmat sollten Raketen ersetzen, die derzeit einen erheblichen Teil der strategischen Sprengköpfe Russlands transportierten, deren geplante Nutzungsdauer aber bereits 2016 überschritten gewesen sei. Erschwerend hinzu komme, dass die Waffen bis 2014 von der Ukraine gewartet worden seien. Wie das jetzt funktioniere, sei unklar.
Probleme mit Treibstoff?
Im orangefarbenen Rauch, der beim Start aufstieg, sieht Marcuz einen Beleg, dass die Rakete von dem hochgiftigen Flüssigtreibstoff UDMH (unsymmetrisches Dimethylhydrazin) angetrieben wurde – so wie auch beim Sarmat-Fehlschlag im Vorjahr, von dem laut einer russischen Studie eine erhebliche Umweltbelastung ausging. Im Treibstoff könnte das Problem der russischen Streitkräfte liegen, die neuartige Waffe zu beherrschen.
Auch der Analyst Pavel Podvig vom Uno-Institut für Abrüstungsforschung in Genf schrieb auf seinem Blog »Russian Forces« , der Unfall sei »höchstwahrscheinlich« ein versuchter Teststart der Sarmat. Es sehe nach einem weiteren Rückschlag für das Programm aus – und nicht danach, dass Russland die Waffe noch in diesem Jahr einsetzen könne, wie Putin erst Anfang November verkündet hatte.