Der zollkühne Präsident

1. Zollstreit auch vor Ihrer Haustür

In meiner alten Heimat am Rhein gab es früher eine Karnevalsgesellschaft, die »Bonner Zollkanonen«. Inzwischen hat sie sich offenbar aufgelöst, entnehme ich dem »General-Anzeiger« , aber ich habe heute kurz an diese Karnevalsgesellschaft zurückgedacht.

Denn in den USA schießt seit geraumer Zeit auch jemand mit der Zollkanone, und das würde man am Rhein wohl auch als jeck und raderdoll bezeichnen, wenn die Sache nicht so ernst wäre.

Heute hat US-Präsident Donald Trump der Europäischen Union mit Einfuhrzöllen in Höhe von 50 Prozent ab dem 1. Juni gedroht. Die Verhandlungen mit Brüssel hätten sich bislang schwierig gestaltet, schrieb Trump auf Truth Social . In der SPIEGEL-Eilmeldung dazu hieß es: »Die EU sei gegründet worden, um ›die Vereinigten Staaten im Bereich des Handels zu übervorteilen‹, argumentiert Trump.« Das Wort »argumentiert« scheint mir hier bereits sehr freundlich gewählt.

Doch was kann ein Zollstreit konkret für Deutschland bedeuten? Das erklärt mein Kollege Michael Sauga: Er hat sich eine neue Ökonomenstudie angesehen, die erstmals eine Übersicht bietet, wie stark einzelne Regionen betroffen wären .

»Besonders groß wären die Wohlfahrtsverluste in jenen Städten und Regionen Deutschlands, in denen die Wirtschaft stark vom Export in die USA abhängig ist, wie etwa in Bremen oder in Leipzig«, schreibt Michael. Noch größer seien die Unterschiede laut der Studie, wenn nur die Effekte bei der Erzeugung von Gütern betrachtet würden. »So würde die industrielle Produktion in Hamburg und Darmstadt um rund fünf Milliarden Euro pro Jahr einbrechen. In Köln lägen die Verluste sogar bei mehr als sechs Milliarden Euro. In Städten wie Trier oder Chemnitz wären dagegen lediglich Rückgänge im Wert von wenigen Hundert Millionen Euro zu verbuchen.«

  • Hier lesen Sie mehr und können durch die Karte klicken: So schaden Trumps Zölle Ihrer Region 

2. Ertappt oder gehackt?

Vor ziemlich genau einem Jahr meldete der SPIEGEL, dass die AfD in Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Ausschlussverfahren gegen den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich in die Wege geleitet hat. Der Landesvorstand wolle »die Abwege« des Parteimitglieds nicht mehr hinnehmen, hieß es damals aus Parteikreisen. Schon zuvor war er nicht in die Bundestagsfraktion aufgenommen worden.

Bekannt wurde Helferich, weil er sich einst in einem Chat »das freundliche Gesicht des NS« nannte. Er sagt, das sei ironisch gemeint gewesen.

Eine aktuelle SPIEGEL-Recherche  legt nun allerdings den Schluss nahe, dass es sich nicht um einen Ausrutscher gehandelt hat. Mein Kollege Maik Baumgärtner und meine Kollegin Ann-Katrin Müller zitieren in ihrem Text unter anderem aus E-Mails, die darauf hindeuten, dass Helferich noch extremere Ansichten vertritt, als bisher gedacht.

Meine Kollegen haben E-Mails, Fotos und Dokumente von 2014 bis 2016 aus Helferichs Zeit bei der Bonner Burschenschaft Frankonia auswerten können.

Helferich schreibt auf Anfrage pauschal, dass ihm die vom SPIEGEL zitierten »Mailauszüge, die ich vor zehn Jahren verfasst haben soll« nicht bekannt seien. Er habe diese »nicht verfasst oder versendet«. Ihm sei bekannt, dass der Mailaccount eines damaligen »Bundesbruders« gehackt worden sei und »schließe nicht aus«, dass jene, die dies taten, »auch Mailkorrespondenzen manipuliert haben«.

  • Lesen Sie hier den ganzen Text: E-Mails über Rassenlehre und Gewaltfantasien belasten AfD-Abgeordneten schwer 

3. Widerstand ist zweckhaft

Es sind nur noch wenige Tage, bis der Konzern Meta die öffentlichen Facebook- und Instagram-Beiträge europäischer Nutzerinnen und Nutzer für das Training seiner künstlichen Intelligenz (KI) nutzen wird, und damit vielleicht auch Ihre – sofern Sie dem nicht aktiv widersprechen.

Verbraucherschützer in Nordrhein-Westfalen hatten noch per Eilklage versucht, den Konzern in seinem Vorhaben zu stoppen, doch das Oberlandesgericht Köln hat die Klage heute abgewiesen.

Meta hatte im April angekündigt, ab dem 27. Mai in seinen Diensten Facebook und Instagram öffentliche Beiträge, Fotos und Kommentare von EU-Nutzerinnen und Nutzern für KI-Trainingszwecke zu verwenden. Der Facebook-Mutterkonzern berief sich dabei auf ein »berechtigtes Interesse«, um die Daten verwenden zu dürfen, sofern die Kundinnen und Kunden nicht aktiv widersprächen.

Der Widerspruch ist also möglich, aber mit etwas Aufwand verbunden: In dieser Anleitung erklärt mein Kollege Jörg Breithut, wie Sie der Nutzung Ihrer Daten widersprechen .

Und das sollten Sie tun, findet SPIEGEL-Kolumnist Christian Stöcker. In seiner jüngsten Kolumne ruft er seine Leserinnen und Leser auf: »Verweigern Sie sich Zuckerbergs dystopischen Visionen«.

  • Lesen Sie hier mehr: Verbraucherschützer scheitern mit Eilklage gegen Meta

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Mehr als 6000 Abschiebungen aus Deutschland im ersten Quartal: 6151 ausreisepflichtige Personen verließen Deutschland zwischen Januar und März 2025. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr. Die meisten Abschiebungen erfolgten per Flugzeug.

  • Deutsche Wirtschaft wächst stärker als erwartet: Positive Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal stärker gestiegen als zunächst erwartet. Ausgerechnet Donald Trumps Zolldrohung dürfte der Grund sein.

  • Harvard verklagt Trump-Team wegen Immatrikulationsverbots für ausländische Studenten: Die Harvard-Universität geht juristisch gegen das Verbot vor, ausländische Studenten aufzunehmen. Die Ivy-League-Uni bezeichnete die Maßnahme des US-Präsidenten als verfassungswidrige Vergeltungsmaßnahme.

  • Nach Angriff auf Mitschüler – Polizei nimmt 13-Jährigen in Gewahrsam: Der 13-Jährige, der einen Mitschüler an einer Schule in Berlin-Spandau mit einem Messer angegriffen haben soll, ist gefasst. Zuvor hatte die Polizei die Bevölkerung um Hilfe bei der Suche nach dem Jungen gebeten.

Meine Lieblingsglosse heute: Für alle Fälle

Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan darüber, wie sich Friedrich Merz auf seinen Antrittsbesuch bei Donald Trump vorbereitet:

Das Kanzleramt arbeitet mit Hochdruck an einer Strategie für den baldigen Antrittsbesuch von Friedrich Merz bei US-Präsident Donald Trump in Washington. Der Kanzler prüfe »alle denkbaren Optionen«, heißt es in Berlin.

Bereits nach der aggressiven Abkanzelung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch Trump und seinen Vize JD Vance Ende Februar waren erste Überlegungen darüber angestellt worden, was einen Kanzler Merz im Oval Office erwarten könnte. Auch der jüngste Besuch des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa wurde im Merz-Lager intensiv analysiert. Mittlerweile gebe es bereits eine Art »Drehbuch« für die Antworten auf mögliche Angriffe Trumps, berichtet eine mit den Planungen vertraute Person. Erwartbaren Vorwürfen Trumps, Deutschland gebe zu wenig Geld für Verteidigung aus und kaufe zu wenige US-amerikanische Produkte, soll Merz mit eingängigen Piktogrammen auf Flipcharts begegnen.

Da man jedoch nicht davon ausgehe, dass Trump sich so überzeugen lässt, wolle Merz dem Gastgeber zusätzlich mit Geschenken schmeicheln. Zurzeit laute der favorisierte Schlüsselsatz: »Ich habe zwar kein Flugzeug mitgebracht – aber ein brandneues Auto!« Präsentiert werden solle dann eine Luxuslimousine aus deutscher Produktion, die das neue Präsidentenauto »The Beast« werden könnte. Eventuell aufkommenden Unmut jeder Art wolle Merz zudem mit der großzügigen Verteilung goldener Eier an sämtliche im Oval Office anwesenden Trump-Freunde besänftigen.

Sogar auf den Fall, dass der Kanzler ähnlich wie der Südafrikaner Ramaphosa ein ideologisch verzerrtes Video über die Zustände im eigenen Land vorgeführt bekommt, sei man vorbereitet: Merz soll dann ein »Antwort-Video« vorspielen. Noch habe es allerdings niemand gesehen: Philipp Amthor sei noch nicht ganz fertig damit.

  • Alle Folgen »So gesehen« finden Sie hier

Was heute weniger wichtig ist

Klingt nach Trump: Die First Lady Melania Trump, 55, bringt ihre Autobiografie als Hörbuch heraus. Fans und Kritiker können ihr also dabei zuhören, wie sie ihre Lebensgeschichte erzählt. Mit einer Einschränkung: Es ist nicht die Ehefrau von US-Präsident Trump, die spricht. Die Lesestimme ist KI-generiert und der Stimme von Melania Trump nachempfunden. Die First Lady selbst spricht von einer »neuen Ära« und der »Zukunft des Publizierens«.

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, von der ich gar nicht wusste, dass sie mich interessieren könnte. Es geht um die Dönertüte, also die kleine Papiertasche, in die Döner gesteckt werden, wenn sie über den Tresen gereicht werden. Auf diesem Stück Papier sieht man häufig das Bild von einem Mann mit Kochmütze, der Fleisch von einem Dönerspieß schneidet. Das Logo hat inzwischen anscheinend Kultstatus erreicht; es begegnet einem längst nicht mehr nur an der Imbisstheke, sondern auf T-Shirts, Baby-Stramplern, Tassen oder als Graffito. (Hier ist der Wikipedia-Beitrag zur Dönertasche .)

Doch wer hat das Bild gemalt? Bereits 2020 hatte die »FAZ« über die vergebliche Suche nach dem Urheber berichtet . Nun ist ein ARD-Podcast erschienen, der das Rätsel offenbar löst: Podcast-Host Aylin Doğan und ihr Team haben lange recherchiert und wohl den Urheber ausfindig gemacht .

Heute werde ich mit der ersten Folge von »Obsessed – Döner Papers«  beginnen. Ich frage mich nämlich weniger, wer das Bildchen gemalt hat, sondern vielmehr, warum die Antwort auf diese Frage so schwer zu finden war und ob die Recherche mich so packt, dass ich mehrere Folgen dazu hören will.


Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Judith Horchert, Blattmacherin in der Chefredaktion

Trump vor Deutschlandkarte (Symbolbild)

[M] DER SPIEGEL; Foto: Jemal Countess / Redux / laif; Michael Bihlmayer / IMAGO

AfD-Abgeordneter Matthias Helferich

Foto:

Fabian Strauch / picture alliance

KI-Training mit Nutzerdaten: Ab dem 27. Mai will Meta starten

Foto:

Yves Herman / REUTERS

Kanzler Friedrich Merz

Foto: Toms Kalnins / EPA

Melania Trump

Foto: Kevin Dietsch / Getty Images

Schild auf Schloss Wackerbart in Radebeul (Sachsen)

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Chappatte

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