»Man hätte ihn umsetzen oder aufessen können«

Der Brombachsee in Mittelfranken hat ein Welsproblem. Oder haben die Welse im Brombachsee ein Menschenproblem? Innerhalb kurzer Zeit sind in dem Stausee mehrere Badegäste von mindestens zwei verschiedenen Welsen angegriffen worden. Ein mehr als zwei Meter großes und über 90 Kilo schweres Tier wurde im Juni erschossen und später in einem Restaurant serviert – höchstwahrscheinlich wollte es seinen Laich beschützen. Tierschutzorganisationen reagierten empört. Peta kündigte an, Strafanzeige wegen der Tötung des Fisches zu erstatten. Am Donnerstag ist erneut ein Badegast attackiert worden. Dieses Mal wurde der Tatort, eine Badeinsel, abgebaut. Was ist da los?

SPIEGEL: Professor Arlinghaus, droht uns eine Invasion von Killerwelsen?

Arlinghaus: Nein. Was wir gerade im Brombachsee erleben, findet jedes Jahr statt. Welse bauen und bewachen Nester und die darin abgelegten Eier. Diese Gehege werden dann mehrere Wochen bewacht. Welse sind in dieser Zeit einfach gute Eltern und verteidigen das Nest. Außerhalb der Laichperiode sind sie nicht aggressiv. Und selbst da muss man als Schwimmer großes Pech haben, um attackiert zu werden.

SPIEGEL: Wie sollte ich reagieren, wenn ich beim Baden merke, da kommt ein Wels?

Arlinghaus: Aus dem Wasser gehen und woanders baden.

SPIEGEL: Die Welse werden immer größer, auch weil die Gewässer immer wärmer werden. Wie groß kann solch ein Tier werden?

Arlinghaus: Der Wels ist eine Warmwasserfischart. Je wärmer ein Gewässer, desto besser für ihn. Wenn es früher im Jahr warm wird, laicht der Wels früher. Die Erwärmung aufgrund des Klimawandels ist also der Hauptgrund dafür, dass sich der Wels deutschlandweit immer weiter ausbreitet. Der Wels ist schnellwüchsig. Wenn er genügend Nahrung findet, setzt er das ins Körperwachstum. In Deutschland gibt es auch Tiere bis zu 2,80 Meter. Das sind zwar Ausnahmen, aber es gibt sie. Zweimeterfische sind in Deutschland regelmäßig anzutreffen, besonders in großen Flüssen.

SPIEGEL: Wie gefährlich sind Welse für Menschen?

Arlinghaus: Gar nicht. Der Wels ist kein Weißer Hai. Er hat relativ kleine Bürstenzähnchen, sodass eigentlich keine relevanten Verletzungen entstehen. Aber ich kann mir den Schreck eines Badegasts bildhaft vorstellen, wenn ein Wels angreift.

SPIEGEL: Was wären neben einer Tötung des Fisches im Brombachsee Möglichkeiten gewesen, mit der Situation umzugehen?

Arlinghaus: Was besser oder schlechter ist, ist eine Wertefrage. Das ist als Wissenschaftler schlecht zu beantworten. Ich kann aber verstehen, dass Badegäste besorgt sind. Beim Brombachsee ist es meiner Information nach so, dass aufgrund des aktuell niedrigen Wasserstandes die Uferpartien, wo der Wels im Normalfall laicht, nicht verfügbar sind. Das sogenannte Problem hat also auch mit Umweltwandel und Wassermanagement zu tun. Man hätte versuchen können, mit Echoloten diese Schwimminseln zu untersuchen und zu schauen, ob dort ein Welsnest ist. Dann hätte man sie für ein paar Wochen für den Badebetrieb sperren können. Dann wäre das Problem schon gelöst. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, den Fisch einfach zu angeln. Man hätte ihn dann umsetzen oder aufessen können. Diese drei Optionen sehe ich.

SPIEGEL: Was wäre im Fall einer Umsetzung mit dem Laich passiert?

Arlinghaus: Der ist sehr wahrscheinlich verloren. Der Sinn des Nestbewachsens ist es ja, den Laich vor Nesträubern wie kleinen Fischen zu beschützen. Das wird den Bestand aber nicht beeinträchtigen. Es gibt in dem See sicher andere Stellen, wo weitere Welse laichen.

SPIEGEL: Welse essen auch mal Enten oder andere Vögel. Es gab Schauergeschichten von einem gefressenen Dackel, Stichwort Kuno, der Killerwels. Was fressen Welse alles?

Arlinghaus: Das sind Omnivore, also eine allesfressende Fischart. Der Wels frisst im Prinzip alles, was tierischen Ursprungs ist. Es wird nicht der Regelfall sein, dass schwimmende Hunde gefressen werden. Ich kann es aber nicht komplett ausschließen. Es gibt Beispiele, wo in Welsen große Schildkröten gefunden wurden. Der Wels hat ein relativ großes Maul und nimmt sich, was zugänglich ist. Besonders stark ernährt er sich von Krebsen und kleinen Fischen, besonders bis zu einer eigenen Größe von 1,50 Meter. Hier und da wird auch mal ein Wasservogel gefressen. Das machen aber Hechte auch. Man muss keine Angst haben. Welse sind keine Haie!

SPIEGEL: Um es einmal festzuhalten: Eltern müssen sich keine Sorgen um ihre Kinder machen.

Arlinghaus: Nein. Wie zuvor erwähnt: Wir müssen uns als Menschen überhaupt keine Sorgen machen. Mit der Ausnahme, dass es in seltenen Fällen zu diesen eigentlich harmlosen Attacken auf Beine kommen kann. Da gibt es eine kleine Schürfwunde, mehr nicht. Da ist ein Hechtbiss viel gefährlicher, weil er wirklich große Zähne hat. Aber auch der beißt nur in absoluten Ausnahmefällen.

SPIEGEL: Wir müssen uns also nicht vor Welsen schützen. Müssen wir Welse vor uns schützen? Gibt es oder braucht es Schutzgebiete?

Arlinghaus: Es ist keine bedrohte Fischart, er breitet sich ja sogar aus. Man benötigt daher keine besonderen Schonmaßnahmen für Welse. Er wird auch nicht intensiv geangelt. Da muss man sehr spezialisiert drauf fischen, und das machen nur wenige.

SPIEGEL: Ein Schwan, der seinen Nachwuchs verteidigt, wäre wahrscheinlich nicht erschossen worden. Hat man mit Fischen weniger Mitleid?

Arlinghaus: Ganz sicher, der Vergleich gefällt mir. Dass Schwäne Menschen attackieren, kommt häufig vor. Ist mir auch schon passiert. Wahrscheinlich ist die Verletzungsrate da auch höher, weil Schwäne ganz schön zupicken können. Der Wels ist im Unterschied zu vielen Vögeln kein charismatisches Tier. Er sieht für viele auch nicht so schön aus: Er ist groß, hat ein großes Maul, kleine Augen, große Barteln, ist sehr schleimig. Das schürt bei nicht informierten Personengruppen Ängste. Zudem kommt er aus dem Wasser, aus der unbekannten Tiefe. Das ist, glaube ich, eine höhere psychologische Belastung und vielleicht auch der Grund der medialen Aufmerksamkeit.

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