Wie Trump den Kapitalismus bedroht

Als US-Finanzminister Scott Bessent diese Woche vor Vertretern von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IMF) sprach , sagte er einen Satz, der Stirnrunzeln hervorgerufen haben dürfte: »America first«, so Bessent, bedeute doch nicht »Amerika allein«.

Das stellt sich insbesondere für die Verbündeten der USA doch deutlich anders dar. Trump droht ja nicht nur offen, Territorium einstmals befreundeter Nationen zu annektieren, die Nato-Partner im Stich zu lassen oder die Ukraine an Russland auszuliefern. Er hat mit seinem Zollchaos auch dafür gesorgt, dass eine globale Rezession jeden Tag wahrscheinlicher wird.

Die Trump-Regierung will trotzdem allen anderen deren Arbeit erklären, auch Weltbank und IMF: Bessent flankierte seinen seltsamen Satz mit neuen, sehr einsamen Forderungen.

Der IMF, so Bessent, solle doch eigentlich »globale monetäre Kooperation und finanzielle Stabilität« schützen, also zwei Aspekte der internationalen Ordnung, die Trump Tag für Tag weiter unterminiert. Stattdessen, so der US-Finanzminister, investiere der Währungsfonds jetzt »unverhältnismäßige Mengen von Zeit und Ressourcen für die Themen Klimawandel, Gender und soziale Belange«.

Öl und Gas sind jetzt günstig?

Auch die Weltbank solle sich um ihre »Kernmission« kümmern und »technikneutral« preisgünstige Investitionen in Energie priorisieren. Das würde »in den meisten Fällen bedeuten, dass in Gas und andere auf fossilen Brennstoffen basierende Energieproduktion« investiert werde, behauptete Bessent. »In anderen Fällen« könne es aber auch bedeuten, in erneuerbare Energien zu investieren, »verknüpft mit Systemen, die helfen, die Wechselhaftigkeit von Wind und Solarenergie zu bewältigen«.

Bessents Äußerungen sind gleich in mehrfacher Hinsicht entlarvend.

Zunächst einmal ist es schlicht falsch, dass kostengünstige Energieinfrastruktur »in den meisten Fällen« fossile Infrastruktur wäre. Das stimmt schon deshalb nicht, weil Strom aus Gaskraftwerken schon jetzt ungleich teurer ist als erneuerbar hergestellter. Nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit, fehlende Kapazitäten mit Gas auszugleichen, sind die deutschen Strompreise ja vergleichsweise hoch. Dazu kommt, dass das Verbrennen von Erdgas, also Methan, eben jede Menge CO₂ freisetzt.

IMF-Publikationen, die Bessent nicht lesen möchte

Wie viele Subventionen in fossile Energiequellen fließen , hat ausgerechnet der IMF 2022 ausgerechnet: Damals waren es sieben Billionen Dollar in einem einzigen Jahr. Ja: Billionen, also siebentausend Milliarden. 1,3 Billionen davon machen explizite Subventionen aus, also Steuergelder, die eingesetzt werden, um Öl und Gas billiger zu machen. Der Rest sind nicht eingepreiste Schäden durch Verschmutzung und natürlich CO₂, also die Klimafolgeschäden, die jedes Jahr noch teurer werden. Diese Zahl unterschätzt der IMF in Wahrheit, was die Autoren des Berichts selbst einräumen. Sie setzen für die Schäden durch Öl, Kohle und Gas einen sehr niedrigen Wert an.

In jedem Fall sind Öl und Gas nicht billig, sondern hochsubventioniert, und zwar weltweit, seit vielen Jahrzehnten. Das gilt so lange weiterhin, bis die Folgeschäden einer Tonne CO₂ wirklich eingepreist sind. Davon ist die Welt trotz europäischen Emissionshandels und in diversen Ländern implementierter CO₂-Steuern noch sehr weit entfernt. Wir alle bezahlen für die Profite von Exxon, Chevron, Total und Co.

Finger in die Ohren, »lalalalala«

Solche Fakten sind Bessent und den Finanziers und Profiteuren der Regierung Trump sehr unangenehm. Also möchte Trumps Minister, dass der IMF damit aufhört, solche Zahlen zu ermitteln und zu publizieren. Dabei sind die USA schon jetzt die in Klimafragen desinformierteste Industrienation von allen.

Um den Hintergrund zu verstehen, ist eine brandneue Publikation  des auf Energiethemen spezialisierten britischen Thinktanks Ember hilfreich. Sie enthält unter anderem Fakten darüber, wer eigentlich fossile Brennstoffe ex- und wer sie importiert. China, der Rest von Asien und fast ganz Europa sind Nettoimporteure fossiler Brennstoffe, ebenso wie weite Teile der übrigen Welt.

Drei Viertel der Weltbevölkerung leben demnach in Ländern, die mehr fossile Brennstoffe im- als exportieren. Auf der Seite der Nettoexporteure stehen neben den Petrostaaten des Nahen und Mittleren Ostens Indonesien, Nigeria, Russland – und die USA. Nordamerika ist – seit vergleichsweise kurzer Zeit – die einzige Weltregion, in der kein Land mehr fossile Brennstoffe im- als exportiert. Die USA wollen unabhängig sein und alle anderen abhängig halten.

Der Rest bezahlt zweimal

Die falsche Behauptung, es sei am günstigsten, weiterhin in Öl und Gas zu investieren, nützt also maximal 25 Prozent der Weltbevölkerung, und viele dieser Menschen leben in Diktaturen und Autokratien. Der Rest bezahlt zweimal: zuerst für fossile Brennstoffe und dann für die Folgeschäden des fossilen Energiesystems.

Vor diesem Hintergrund wird auch die zweite offenkundige Manipulation in Bessents Rede deutlich, die natürlich voll auf der Linie von Trump und den Autoren des fossil finanzierten »Project 2025« liegt: Die Kritik an den vermeintlich nicht zur »Mission« von IMF und Weltbank gehörenden Themen. Bessent nannte »Gender«, »soziale Belange« und eben den Klimawandel buchstäblich in einem Atemzug.

Das ist der billige Taschenspielertrick, den die globale Rechte jetzt seit vielen Jahren wieder und wieder aufführt: Die Bekämpfung der extrem bedrohlichen, schon jetzt tödlichen und teuren, immer weiter eskalierenden Klimakrise mit gesellschaftspolitischen Themen in einen Topf zu werfen, als sei das alles eine Soße. »Woke« eben. Das Framing »Klimapolitik ist links« ist so alt wie die vermeintlich »liberalen« Klimawandelleugner-Thinktanks, die die Ölindustrie seit den Achtzigerjahren herbeifinanziert hat. Es ist aber ein Propagandatrick, mehr nicht.

»Existenzielle Bedrohung für den Kapitalismus«

Tatsächlich ist es die Aufgabe von IMF und Weltbank, für »finanzielle Stabilität« zu sorgen, wie Bessent sagte. Und genau diese Stabilität wird durch die Klimakrise längst akut bedroht.

Glauben Sie nicht mir, glauben Sie dem Allianz-Vorstandsmitglied Günther Thallinger. »Wir nähern uns schnell Temperaturniveaus – 1,5 °C, 2 °C, 3 °C –, bei denen Versicherer viele Risiken nicht mehr abdecken können«, schrieb Thallinger kürzlich in einem viel zitierten LinkedIn-Post . Ab einem bestimmten Punkt, so Thallinger, funktioniere die mathematische Logik der Versicherungen nicht mehr: »Die erforderlichen Prämien sind höher als das, was Menschen oder Firmen noch bezahlen können. Das ist bereits im Gang. Ganze Regionen werden unversicherbar.« Das sieht man bereits, etwa in Kalifornien  und Florida.

Auch Staaten wären bald überfordert, diese Lücken mit Steuergeldern auszugleichen. Der Immobilienwert ganzer Regionen werde wegen Unversicherbarkeit »aus den Kassenbüchern verschwinden«, und dieser Prozess werde »schnell und brutal« verlaufen, so Thallinger. Auch »Anpassung« an Hitze sei in vielen Fällen eine vergebliche Hoffnung. Es gehe nicht darum, »den Planeten zu retten«, so Thallinger. »Es geht darum, die Bedingungen zu retten, unter denen Märkte, Finanzmärkte und die Zivilisation an sich weiterhin funktionieren können.« Die Klimakrise sei eine »existenzielle Bedrohung« – für den Kapitalismus.

Nicht »woke«, sondern weise

Das sieht Donald Trumps Kabinett anders. Zwar wird die Klimakrise nicht mehr offen geleugnet, aber Trumps Regime tut alles dafür, dass möglichst wenig über sie gesprochen wird: Forschungsprojekte werden eingestampft, Universitäten unter Druck gesetzt , die wichtigste Klimabehörde der USA brutal entkernt und nun eben sogar internationale Institutionen wie IMF und Weltbank unter Druck gesetzt, bei dem Manöver zur Sicherung fossiler Profite einiger weniger US-Ölkonzerne mitzumachen.

Trump will sogar die Europäische Union erpressen, noch mehr teures Flüssiggas aus den USA zu kaufen , statt sich mit Elektroautos, Wärmepumpen, Batteriespeichern und erneuerbaren Energien immer unabhängiger von den wenigen Profiteuren des fossilen Energiesystems zu machen, das die Zivilisation bedroht.

Electric Europe, das wäre für Trumps fossile Großspender ein Albtraum. Und für Wladimir Putin auch.

Eine fossilfreie Zukunft anzustreben, und zwar sehr viel schneller, als das im Moment geschieht, ist nicht »woke«, sondern weise. Die politischen Handlanger der US-Ölbranche möchten, dass sich der Rest der Welt ihrem Suizidpakt anschließt, und scheinen zu glauben, dass ihre »MAGA«-Rhetorik auch in der Finanzwelt verfängt. Europa und all die anderen Nettoimporteure von fossilen Brennstoffen sollten daraus schnell in doppelter Hinsicht die richtigen Schlüsse ziehen: weg von Öl und Gas, hin zu Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit und stabilem Wohlstand.

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