Australische Regierung nach Tötung von 700 Koalas in der Kritik

»Das ist keine Fürsorge. Das ist kein Artenschutz. Das ist eine nationale Schande«, zeigt sich die Tierschutzpartei Animal Justice Party schockiert: Der Abschuss von 700 Koalas in einem Nationalpark hat in Australien heftige Diskussionen ausgelöst. Die Regierung des Bundesstaates Victoria rechtfertigt das Vorgehen der Behörde als einen Akt der Barmherzigkeit für die Beuteltiere, viele Tierschützer sind entsetzt.

Was ist passiert?

Ein Buschbrand hatte zuvor große Teile des Budj-Bim-Nationalparks etwa 270 Kilometer westlich von Melbourne zerstört. Etwa 2200 Hektar des rund 5400 Hektar großen Gebiets fielen den Flammen zum Opfer. Auch viele Manna-Eukalyptusbäume, eine wichtige Nahrungsquelle für Koalas, brannten ab. Viele Tiere trugen Verbrennungen und andere schwere Verletzungen davon.

Daraufhin ließen die Behörden 700 Tiere vom Hubschrauber aus abschießen. Ziel sei es gewesen, den Betroffenen weiteres Leid zu ersparen, sagte der Biodiversitätsbeauftragte James Todd dem australischen »Guardian« . »Aufgrund der direkten Auswirkungen des Feuers, des schlechten Gesundheitszustands und der geringen Überlebenschancen vieler Tiere wegen der anhaltenden Dürre und des Nahrungsmangels nach dem Feuer mussten viele Tiere getötet werden.«

Wie rechtfertigen die Behörden das Vorgehen?

Vor allem die Art und Weise, wie die Tiere ausgewählt und getötet wurden, ist durchaus umstritten. Denn die Selektion der Koalas nur durch Luftaufnahmen und aus der Distanz ist in Australien neu und bis dato nicht erprobt.

»Die Entscheidung für diese Methode wurde nicht leichtfertig getroffen«, sagte Todd. Die Regierung habe sich von erfahrenen Tierärzten und Wildtierexperten beraten lassen. Zudem habe man sich den Tieren aus der Luft so weit wie möglich angenähert und ihren Gesundheitszustand etwa mit Ferngläsern beurteilt.

Andere Methoden seien schließlich angesichts des extrem schwierigen Geländes ausgeschlossen worden. Auch hielten sich die Koalas zumeist hoch oben im Geäst der vom Feuer betroffenen Bäume auf. Dieser Umstand habe ein Sicherheitsrisiko dargestellt. Es habe nur zwei Optionen gegeben, erklärte Todd: Einfach zuzuschauen, wie sich der Gesundheitszustand der Tiere verschlechtere, oder proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Leid zu beenden.

Was kritisieren die Tierschützer?

Tierschützer kritisieren die Vorgänge scharf. Nach Bränden seien schwierige Entscheidungen zum Tierschutz zwar unvermeidlich. Dabei stehe die Minimierung des Tierleids im Vordergrund, sagte etwa die Organisation »Humane World for Animals«. Trotzdem: »Wir dürfen aber nicht zulassen, dass Luftaufnahmen zur Standardmethode werden«, sagte Evan Quartermain vom australischen Zweig der NGO.

Den Zustand eines Tieres aus der Ferne zu beurteilen, sei extrem schwierig. Auch seien jetzt vermutlich viele von ihren Müttern abhängige Junge verwaist. Deutlich besser wäre es Quartermain zufolge gewesen, Such- und Rettungsaktionen für verletzte Koalas durchzuführen, um fundiertere tierärztliche Beurteilungen vorzunehmen.

Drastischer machte die Animal Justice Party ihrem Entsetzen Luft. Die Koalas seien einfach abgeschlachtet worden, erklärte die Partei. »Die Regierung von Victoria genehmigte diese brutale Keulung«, hieß es. »Verletzte und vertriebene Koalas wurden vom Himmel aus abgeschossen – ohne Transparenz, ohne Rechenschaftspflicht, ohne Gnade.«

Sorge um Koalabestände

Der Australian Koala Foundation zufolge gibt es wahrscheinlich höchstens noch 60.000 Koalas in freier Wildbahn. Das ist ein dramatischer Rückgang im Vergleich zu den Millionen Exemplaren, die Anfang des letzten Jahrhunderts noch Australien bevölkerten. Lange wurden die Tiere wegen ihres Fells gejagt, was mancherorts beinahe zu ihrer Ausrottung führte.

Während es in einigen Bundesstaaten wie New South Wales und Queensland an der Ostküste große Sorge um den Bestand gibt – etwa wegen Naturkatastrophen, Rodungen und Verkehrsunfällen – ist die Situation in den Regionen Victoria und South Australia anders: Hier gibt es Experten zufolge teilweise zu viele Koalas und zu wenige Bäume als Lebensraum.

Bei den verheerenden Buschfeuern im »Schwarzen Sommer« vor gut fünf Jahren wurden nach Schätzungen des WWF mehr als 60.000 Koalas getötet, verletzt, vertrieben oder traumatisiert. Bilder von Tieren mit angesengtem Fell und verbrannten Pfoten gingen damals um die Welt. 2022 stuften mehrere Bundesstaaten den Gefährdungsstatus der Beutelsäuger  offiziell von »vulnerable« (gefährdet) auf »endangered« (stark gefährdet) hoch.

Koala auf einem Baum

Foto: David & Micha Sheldon / imageBROKER / picture alliance

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