Der Diesel-Lkw ist als Nächstes dran

Ein Schwerlaster ist eine ziemlich große Investition. Bei etwa 100.000 Euro fangen die Preise für einen Vierzigtonner an, je nach Ausstattung und Zubehör kann es aber auch eine halbe Million Euro sein. Für einen batteriebetriebenen E-Lkw aus deutscher Produktion, von Daimler oder MAN, werden etwa 280.000 Euro oder noch deutlich mehr fällig – vor Steuern. Früher oder später lohnt sich jedoch auch das, denn E-Lkw sind, wie alle batterieelektrischen Fahrzeuge, wartungsarm und langfristig günstiger, spätestens, wenn endlich faire CO₂-Preise greifen. Hierzulande sind E-Lkw zudem bis März 2031 von der Autobahnmaut befreit .

Dennoch sind auf Europas Straßen noch Millionen dreckige und laute Diesel-Lkw unterwegs. Sie sind für einen gewaltigen Anteil an Europas Gesamtemissionen  verantwortlich.

In China ändert sich das gerade rasant. Auf chinesischen Fachmessen kann man jetzt E-Trucks mit 600-Kilowattstunden-Akkus für umgerechnet etwa 85.000 Euro besichtigen . Die 400-Kilowattstunden-Variante kostet umgerechnet 58.000 Euro. Diese Lkw entsprechen in mehrfacher Hinsicht nicht europäischen Standards, etwa was Reifen, Achsen, Federung und Radstand entspricht. Ein entsprechend angepasstes Modell würde vermutlich das Doppelte oder noch mehr kosten. Das wäre immer noch deutlich weniger als die derzeit in Deutschland angebotenen E-Modelle.

Exponentielles Wachstum

In China sind die günstigen E-Trucks längst massenhaft im Einsatz, und ihr Marktanteil wächst rapide. Neue Geschäftsmodelle sollen sie in der Anschaffung noch billiger  machen – vor allem Austauschsysteme , bei denen der Käufer den teuren Akku nicht mitkauft, sondern jeweils einen vollen mietet.

In der ersten Hälfte des Jahres 2024 waren 9,2 Prozent aller in China verkauften Schwerlaster batteriebetrieben. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 waren es schon 22 Prozent. Das E-Truck-Wachstum nimmt eine vertraute Form an: Es ist eine Exponentialkurve , wird also immer schneller. 80.000 E-Trucks wurden BloombergNEF zufolge in China im ersten Halbjahr 2025 verkauft. Die Verkäufe von Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw dagegen sind »im freien Fall«, so Bloomberg .

Fachleute sagen diese Entwicklung schon seit einiger Zeit voraus , hauptsächlich wegen der weiterhin rapide fallenden Preise für Batteriespeicher. In Lkw werden in der Regel vergleichsweise preiswerte Lithium-Eisenphosphat-Akkus verbaut. Die können etwas weniger kompakt gebaut werden als andere Lithium-Ionen-Akkus, kommen dafür aber ohne Nickel und den problematischen und knappen Inhaltsstoff Kobalt aus. Sie können gut mit niedrigen Temperaturen umgehen, lassen sich schnell laden und halten lange. Hersteller geben Batteriegarantien über 700.000 oder gar 1,2 Millionen Kilometer Laufleistung.

Das hat geopolitische Folgen

Die Beratungsgesellschaft Rhodium Group schätzt , dass die E-Autos und E-Laster auf Chinas Straßen schon jetzt eine Million Barrel Diesel pro Tag einsparen. Der Bedarf danach wird weiter sinken. Die chinesische E-Truck-Revolution wird früher oder später manifeste geopolitische Auswirkungen haben, indem sie den Ölpreis beeinflusst.

In China boomten vorübergehend auch Trucks, die mit fossilem Flüssiggas, kurz LNG, betrieben werden. Doch auch dieser Trend endet jetzt, wie das Institute for Energy Economics and Financial Analysis in einem ausführlichen Bericht  vorrechnet. Batterien und Strom als Alternative sind einfach günstiger.

»Führende Technologie«

Die Logistikbranche ist geprägt von knappen Margen, hohem Kostendruck, aber auch hoher Planbarkeit und langfristigen Investitionen. Und die Kosten über die gesamte Lebensdauer hinweg liegen bei einem E-Truck schon jetzt 10 bis 26 Prozent unter denen eines Diesel-Lkw , schätzen Fachleute. Diese »Total Cost of Ownership« ist die entscheidende Größe für Investitionsentscheidungen. Der Abstand wird weiter wachsen: mit fallenden Strompreisen – durch erneuerbare Energien und Speicher – gepaart mit weiter rasant fallenden Batteriepreisen. »Batterieelektrische Lkw erweisen sich aufgrund sich rapide entwickelnder Batterieleistung als führende Technologie«, konstatierte der deutsch-französische Rat der Wirtschaftsweisen  schon im März 2025.

Eine große Zahl von Lkw-Fahrten beschränkt sich auf vergleichsweise kurze Strecken von deutlich unter 250 Kilometern, so der deutsch-französische Wirtschaftsrat: Lebensmittellieferungen an Supermärkte, Baustoffe, Müllabfuhr, Transporte von und zu Logistikzentren. Abends stehen die Lkw im Depot und können dort über Nacht problemlos geladen werden, dafür braucht man nicht einmal Hochleistungsladesäulen. Und auf längeren Strecken sind Fahrer ohnehin gesetzlich zu regelmäßigen Ruhepausen verpflichtet, die sich leicht als Ladestopps nutzen ließen – wenn die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist.

Genau da liegt die Krux: Was die EU gerade mit der angekündigten Rückwärtsrolle beim Thema CO₂-neutrale Pkw aufführt und Union und Autobranche mit dem Märchen von »hocheffizienten Verbrennern«, stimmt pessimistisch. Weder die Branche noch die Politik scheinen so recht akzeptieren zu wollen, dass Verbrennungsmotoren am Ende sind. Dabei sind die Würfel längst gefallen. Einmal mehr gilt: Wenn Europa schnell die Regulierung und die Infrastruktur schafft, auf E-Trucks umzustellen, ist das gut fürs Klima, gut für die Luft, gut gegen Lärm und gut für die europäische Wirtschaft. Wenn man sich aber ans Alte klammern will, stirbt der Diesel-Lkw trotzdem – das Geschäft macht dann aber wieder China.

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