Merz wirbt in Brief an von der Leyen für flexiblere Klimaziele
Bundeskanzler Friedrich Merz hat in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um Rücksicht auf die Autoindustrie geworben und eine Aufweichung des sogenannten Verbrenner-Aus gefordert. In dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, fordert Merz unter anderem auch flexiblere CO₂-Regeln sowie eine »Flexibilisierung« der bisherigen Zwischenziele für die Industrie. Ziel müsse es sein, Strafzahlungen zu vermeiden.
Der Hintergrund ist, dass die neuen Fahrzeuge vieler Autohersteller bislang nicht ausreichend die vorgesehenen Klimaziele erreichen.
Im Schreiben von Merz heißt es nun, es sei positiv, wenn Firmenflotten emissionsärmer modernisiert würden. »Eine Elektrifizierung von Unternehmensflotten begrüßen wir grundsätzlich, eine pauschale gesetzliche Quote lehnen wir hingegen ab.«
SPD-Chef Klingbeil trägt Forderungen mit
Das Schreiben ist auf diesen Freitag datiert. Zuvor hatten sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss auf eine gemeinsame Position zum geplanten Aus für neue Verbrenner-Autos in der EU ab 2035 geeinigt. Demnach sollten auch nach 2035 »hocheffiziente Verbrenner« zugelassen werden dürfen, auch die SPD unter Vizekanzler Lars Klingbeil trägt die Forderungen mit.
Der geplante Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen war schon vor der offiziellen Vorstellung der Ergebnisse bekannt geworden.
Konkret fordert Merz in dem Schreiben:
Die umstrittene Flottengrenzwertverordnung früher zu überprüfen und industriefreundlich zu verändern,
auch nach 2035 Hybridfahrzeuge, »hocheffiziente Verbrenner« und ähnliche Fahrzeuge zuzulassen – also das geplante Verbrenner-Aus wieder aufzuweichen,
CO₂-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu betrachten – um Rohstoffe wie grünen Stahl stärker zu berücksichtigen;
Eine Erhöhung der Beimischungsquote für synthetische und biogene Kraftstoffe, auch konventionelle Biokraftstoffe sollten weiter genutzt werden können;
Eine Aufweichung der bisherigen Flottenziele, um Strafzahlungen zu vermeiden;
Die Förderung von E-Autos in Firmenflotten – ohne gesetzliche Quoten.
Der deutsche Bundeskanzler betont in dem Schreiben, es gehe darum, innovationsfreundliche Regeln zu finden, die Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit vereinbar machten. Der Automobilstandort Europa benötige dafür Planungssicherheit und Fairness im globalen Wettbewerb. Auch die deutschen Ministerpräsidenten hatten zuletzt für weniger strikte Klimaregeln plädiert, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Kritik an diskutierter Aufweichung der Klimaziele
Die EU-Kommission hatte nach Druck aus der Industrie und aus Mitgliedstaaten angekündigt, die Verordnung zum Verbrenner-Aus überprüfen zu wollen. Einen Vorschlag dafür will die Kommission voraussichtlich am 10. Dezember vorlegen, eventuell aber auch erst in der Folgewoche.
Kritiker werfen der Politik vor, im Streit über Klimaschutz vor der Industrie eingeknickt zu sein. Hintergrund ist die Krise in der Autoindustrie, viele Jobs in Deutschland hängen nach wie vor am Verbrenner. Zwar steigen die Neuzulassungen von Elektroautos; trotzdem drohen die Ziele zum CO₂-Ausstoß verfehlt zu werden.
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte den Brief an die EU-Kommission: »Das ist ein Totalschaden für die E-Mobilität.« Die Bundesregierung wolle dem Verbrennungsmotor einen Freifahrtschein verschaffen – auf Kosten von Innovation und Klimaschutz. »So entsteht kein Zukunftsmarkt, sondern Chaos und Unsicherheit.« Das schwäche den Standort Europa und gefährde Arbeitsplätze. »Die Forderungen aus dem Brief würden die europäische Gesetzgebung komplett entkernen«, mahnte Bloss.
Merz im Mai bei einem Besuch in Brüssel
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