»Wir haben sie ganz anders erlebt. Wir vermissen sie«
Inmitten des Turnskandals melden sich nun erstmals zwei aktive Sportlerinnen der TG Mannheim mit einem Appell zu Wort. Die beiden EM-Silbermedaillengewinnerinnen Silja Stöhr und Janoah Müller, die stellvertretend für die Kaderathletinnen aus Mannheim sprechen, wünschen sich ihre weiterhin freigestellten Trainerinnen Claudia Schunk und Alina Korrmann zurück.
»Wir haben sie ganz anders erlebt, als sie öffentlich dargestellt werden. Wir vermissen sie«, sagte Janoah Müller der Deutschen Presse-Agentur. »Ich habe keine problematischen Situationen oder psychischen Missbrauch erfahren.« Die Eltern der Kaderathletinnen sprechen sich in einem gemeinsam verfassten Schreiben ebenfalls für die Übungsleiterinnen aus.
Die Trainerinnen waren im Zuge des deutschen Turnskandals freigestellt worden. Angeführt von den früheren Auswahlathletinnen Tabea Alt und Michelle Timm haben seit kurz vor Weihnachten etliche Turnerinnen öffentlich schwere Vorwürfe gegen die Arbeit am Bundesstützpunkt in Stuttgart erhoben. Auch der SPIEGEL berichtete.
Unmittelbar nachdem die ehemaligen Turnerinnen über »systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch« am dortigen Kunst-Turn-Forum (KTF) berichtet hatten, geriet auch der Bundesstützpunkt in Mannheim in den Fokus. Die deutsche Turnrekordmeisterin Elisabeth Seitz hat Missstände am dortigen Stützpunkt angeprangert und Vorwürfe gegen Trainerin Schunk erhoben.
Müllers Einwände decken sich mit Darstellungen der Olympiateilnehmerin Helen Kevric vom MTV Stuttgart. Sie hatte bereits erklärt, dass sie »kein Missbrauchsopfer« sei. Auch Kevric hatte sich im Mai für ihre Trainer am KTF ausgesprochen. »Ich hätte sie gerne behalten«, sagte Kevric.
Die Mannheimer Eltern kritisieren außerdem die schleppende Aufarbeitung der Vorwürfe – und dass weder aktive Turnerinnen noch Erziehungsberechtigte in die Aufklärung eingebunden werden. In dem Schreiben heißt es: »Die Freistellung können wir weder nachvollziehen noch als gerechtfertigt ansehen. Uns sind keine Gründe bekannt, die eine derart drastische Maßnahme erklären.« Da die freigestellten Trainerinnen weiterhin angestellt sind und eine Rückkehr möglich ist, wurde bislang kein gleichwertiger Ersatz engagiert.
Laufende Ermittlungen
In Bezug auf Stuttgart laufen laut Staatsanwaltschaft Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung in mehreren Fällen, des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen und wegen des Verdachts der versuchten vorsätzlichen Körperverletzung in einem Fall. Der DTB hat zur Aufarbeitung an beiden Standorten eine Kanzlei eingesetzt. Die Ermittlungen dauern allerdings an, wie die Staatsanwaltschaft nun bestätigte.
»Wir hängen in der Luft. Dabei sind wir die Athletinnen, die am engsten mit diesen Trainerinnen zusammengearbeitet haben. Wir könnten das doch am besten beurteilen«, sagte Stöhr mit Blick auf den Stand der Ermittlungen in Mannheim. Die Eltern ergänzten in ihrem Schreiben: »Mit Turnerinnen der aktuellen Mannheimer Trainingsgruppe wurde nie gesprochen. Diese Seite wurde gar nicht befragt.«