Unterlegen gegen Spanien? Das war einmal

Frust der guten Tat: In Partylaune entstieg Bundestrainer Christian Wück dem Hexenkessel von Kaiserslautern nur bedingt. Zackig, fast schon antagonistisch geriet Wücks Handshake mit seiner spanischen Amtskollegin Sonia Bermúdez. Am ZDF-Mikrofon machte Wück später seinem Ärger Luft: »Bei der Auswechslung will die Auswechselspielerin übers halbe Feld laufen. Vielleicht ist es so im internationalen Fußball. Vielleicht machen wir es in Spanien dann genauso.« Es war der bemerkenswerte Frust eines Mannes, der Deutschlands Fußballerinnen so herausragend gut auf den Gegner eingestellt hatte, dass ein torloses Remis sich plötzlich ungerecht anfühlte. »Natürlich ärgere ich mich, weil wir uns wieder nicht belohnt haben«, räumte Wück ein – sagte aber auch: »Wir wissen, dass wir nicht nur mithalten können, sondern sogar gegen eine Mannschaft wie Spanien unser Spiel durchziehen können. Das ist schon eine Entwicklung, die uns die wenigsten zugetraut hätten.«

Das Ergebnis: 0:0 nach 90 Minuten: Die erste Hälfte des Nations-League-Endspiels gegen Spanien hat an der Ausgangslage nichts nachhaltig verändert. Wohl aber am Selbstvertrauen des deutschen Teams. Denn trotz der Nullnummer sind die Spanierinnen nach diesem Auftritt nicht mehr derselbe uneingeschränkte Favorit, als der sie in die Partie gegangen waren.

Halb-Finale: Nations-League-Finale! Und doch ein Abend, nach dem die knapp 40.000 im Fritz-Walter-Stadion im Unwissen über die Titelträgerinnen nach Hause pilgern würden. Möglich macht das ein Modus, der aus der Zeit gefallen wirkt: Das Finale wird über zwei Partien ausgetragen, auf den Auftakt in Kaiserslautern folgt am Dienstag (18.30 Uhr) ein Duell im Madrider Metropolitano, wo sonst Atlético seine Heimspiel austrägt. »Das ist so ein alter Champions-League-Modus«, ordnete Bundestrainer Christian Wück vorab ein. Warum das Ganze? Unklar. Aber das Argument »für eine bessere TV-Vermarktung« hat sich noch selten als falsch erwiesen.

Einmal Zürich und zurück: So gab es also zweimal 90 Minuten Rematch gegen die Weltmeisterinnen. Mit denen hat Wücks Team seit Juli eine Rechnung offen: Damals kämpfte sich das ersatzgeschwächte DFB-Team im EM-Halbfinale bis in die Verlängerung, ehe die bauernschlaue mehrmalige Weltfußballerin Aitana Bonmatí aus spitzem Winkel zum Sieg traf. Beim Turnier in der Schweiz war Spanien teils hochüberlegen aufgetreten, hatte die deutsche Abwehr schwindlig gespielt. Und diesmal?

Klassenunterschied aufgeholt: Diesmal war Deutschland besser – nach fast allen Statistiken. »Die Ballbesitzquote ist für mich kein relevantes Kriterium für ein gutes oder schlechtes Spiel«, hatte Wück vor Anpfiff erklärt. Und tatsächlich, Spanien hatte öfter den Ball – fing aber quasi nie etwas Gefährliches damit an. Zur Pause hatte Ann-Kathrin Berger, nach Knieproblemen ins Tor zurückgekehrt, noch keinen einzigen Schuss abwehren müssen.

Im Vollsprint: Umgekehrt hatte die deutsche Elf sieben Abschlüsse, vier davon aufs Tor, nicht wenige davon mit beispielloser Bissigkeit erzwungen. Immer wieder zwangen die unermüdlich anlaufenden Deutschen Spanien zu Abspielfehlern. Besonders Nicole Anyomi, die während der EM und somit auch beim Duell im Juli aufgrund von Knieproblemen im Kader gefehlt hatte, erwies sich als Albtraum für das spanische Ruhebedürfnis: Nach Fehlpass von Irene Paredes tauchte Anyomi gefährlich vor Cata Coll auf, legte aber harmlos quer (6.). Immer wieder beschäftigen Anyomis Läufe in die Tiefe Spaniens Abwehr, kurz vor der Pause rauschte die Frankfurterin so kompromisslos auf Coll zu, dass diese sich im eigenen Strafraum nah am Gleichgewichtsverlust aus der Gefahr dribbeln musste (45.+1).

Feuerwerk der Rohrkrepierer: Davor und danach durfte sich das ganze deutsche Offensivensemble versuchen: Da waren Klara Bühls unzählige Versuche auf den kurzen Pfosten (z.B. 19.), Franziska Kett, deren Abschluss Coll gerade noch so unterm Bein eingeklemmt bekam (27.), Jule Brandt, in deren Abschluss sich Paredes in letzter Sekunde werfen konnte (28.)., Aluminium beim Pfostenschuss von Bühl (70.) oder einer abgerutschten Flanke von Brand (76.). Und, auf Spaniens Seite, nicht viel mehr als Stürmerin Esther, die vor Janina Menge an den Ball kam und diesen an den Pfosten lenkte (53.). »Unglaublich bitter, das heute kein Tor fällt«, bilanzierte Bühl später. »Aber so haben wir jetzt ein klassisches Finale, und darauf freuen wir uns extrem.«

Nicole Anyomi gegen Cata Coll: Der Ball ist das Ziel

Foto: Christopher Neundorf / EPA

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