Brosius-Gersdorf knüpft Kandidatur an Bedingung

Die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hält vorerst an ihrer Kandidatur fest. Bei Lanz berichtet sie von Morddrohungen - und verteidigt ihre Aussagen zu Abtreibung und Impfpflicht.

Nach der vertagten Wahl zur Bundesverfassungsrichterin hat sich die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf in einem langen Interview in der ZDF-Sendung Markus Lanz zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geäußert. Wie es jetzt weitergehe, wisse sie noch nicht. Sie brauche noch einige Zeit, um sich zu entscheiden. Klar sei allerdings: Wenn dem Bundesverfassungsgericht ein Schaden drohe, "würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was danach passiert. Das sind alles Aspekte, die ich unglaublich ernst nehme."

Zugleich kritisiert die Juristin die Debattenkultur in Deutschland. Was ihr Sorgen bereitet: "Wie gehen wir mit Meinungen und Positionen um, die einem nicht gefallen, die einem nicht zusagen?" Bei Lanz berichtet Brosius-Gersdorf über Morddrohungen, die sie und ihre Mitarbeiter erhalten hätten: "Per E-Mail, Poststücke mit verdächtigem Inhalt, die an meinen Lehrstuhl gesendet wurden", sagt die Juristin. Sie habe ihre Mitarbeiter vorsorglich darum gebeten, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten. "Und es gab Videos in sozialen Netzwerken, ich habe mir das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr angeschaut, aber Freunde, Familie und andere haben sich das angesehen. Und da gab es unter anderem ein Popup-Video, wo mein Bild zu sehen war und mir mit einer Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Natürlich macht mir das Sorgen. Natürlich belastet mich das. Und es ist auch indiskutabel."

Zugleich wirft sie einigen Medien und Journalisten eine "unvollständige und unsachliche Berichterstattung" vor, ohne diese jedoch beim Namen zu nennen. Ultralinks, linksradikal, Linksextremistin, so sei sie genannt worden, berichtet sie. "Und was ich besonders verstörend finde, am vergangenen Wochenende sprach der Bamberger Erzbischof von einem 'Abgrund an Intoleranz und Menschenverachtung'. Ich muss ehrlich sagen: Das kann ich mir nicht länger gefallen lassen. Ich finde das infam." Jeder, der sie kenne, wisse, dass das Gegenteil der Fall sei. Im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Projekte stehe das Bemühen um sozial Schwache oder Minderheitenschutz. "Und ich möchte einfach mal daran erinnern, dass auch Vertreter der Katholischen Kirche an die Verfassungswerte unseres Grundgesetzes gebunden sind, und damit auch an meine Menschenwürde und mein Persönlichkeitsrecht."

Kritik an Position bei Abtreibung

Besonders im Fokus der Kritik steht die Meinung Brosius-Gersdorfs zum Thema Abtreibung. Die Juristin dazu im ZDF: "Es ist falsch, dass ich gesagt hätte, ich bin für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt. Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt." Sie habe auch nicht geschrieben, dass ein Embryo kein Lebensrecht habe. Es gebe jedoch einen "Konflikt zwischen den Grundrechten des Embryos auf der einen Seite, seinem Lebensrecht und den Grundrechten der Frau auf der anderen Seite." Brosius-Gersdorfs Position: In der Frühphase habe das Lebensrecht des Embryos weniger Gewicht, in der Spätphase der Schwangerschaft jedoch mehr "Lebensrecht". "Das ist genau das Dilemma und das Problem, um das es geht", sagt sie. "Dann können Sie den Schwangerschaftsabbruch zu keiner Zeit rechtfertigen, nicht mal in Fällen der medizinischen Indikation. Das sind Fälle, in denen die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Frau gefährdet."

Selbstkritik an AfD-Aussage

Auf den Vorwurf der AfD, Brosius-Gersdorf wolle ihre Mitglieder beseitigen, geht die Juristin nicht direkt ein. Sie habe sich nie direkt für ein AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Allerdings habe sie sich in einer Sendung bei Markus Lanz im Juli vergangenen Jahres nicht glücklich ausgedrückt: "Nämlich, dass ein Parteiverbot nicht das Problem der Anhängerschaft beseitigen würde. Wer die Sendung gesehen hat, weiß natürlich, was ich damit gemeint habe: Dass mit einem Verbotsverfahren nicht die Probleme beseitigt werden, die Menschen dazu veranlassen, sich von der demokratischen Mitte abzuwenden. Das war gemeint, und das konnte, glaube ich, jeder verstehen. Aber das war nicht glücklich."

Sie habe darüber aufklären wollen, dass die Hürden für ein Parteienverbot hoch seien. "Aber wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die sorgfältige Recherche und Prüfung ergibt, dass von einer Partei ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht, dann muss unsere Demokratie, eine wehrhafte Demokratie, eine Möglichkeit haben, sich gegen Verfassungsfeinde zu wenden. Dafür stehe ich auch hier und heute."

Nachdenken über Impfpflicht

Falsch sei auch, dass sie während der Corona-Pandemie die Einführung einer Impfpflicht gefordert habe. Lanz zitiert einen Text von November 2021. Darin heißt es: "Eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Man kann sogar darüber nachdenken, ob mittlerweile eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht besteht."

"Entscheidend ist das Wort Nachdenken", so Brosius-Gersdorf. "Das ist das, was wir jeden Tag machen. Argumente wägen, Proargument, Gegenargument. Was spricht gegen das Argument, was spricht dafür? Um dann am Ende zu einem Schluss zu kommen."

Als Rechtswissenschaftlerin sei es ihr Standpunkt, sich mit aktuellen politischen Themen zu beschäftigen, so Brosius-Gersdorf. "Das ist etwas, worüber zur Hochzeit der Corona-Pandemie die Welt auch diskutiert hat. Und dazu wollte ich einen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Und das finde ich auch vollkommen legitim, weil es wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass der Staat damals nicht nur die Verpflichtung hatte, die Freiheit von Menschen zu schützen, die sich aus gutem Recht nicht freiwillig impfen lassen wollten, sondern es eben auch um den Schutz der Gesundheit und der Freiheit der Menschen ging, die sich freiwillig impfen lassen wollen." Heute könne man das freilich anders sehen, so die Juristin.

Wichtig für Brosius-Gersdorf: "Es geht beim Bundesverfassungsgericht nicht um ein politisches, sondern um ein juristisches Amt." Allerdings habe jeder Rechtswissenschaftler auch Positionen. "Das überrascht in Karlsruhe auch niemanden. Insofern finde ich es nicht richtig, zu verlangen, dass es jemand sein muss, der sich noch nicht positioniert hat. Ganz im Gegenteil: Ich verstehe schon, dass man darauf achtet, dass es jemand ist, der das Vertrauen und den Zuspruch der Wählenden hat", so die Juristin. Sie selbst vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft. Das könne jeder nachlesen. "Mein wissenschaftliches Wirken gibt keinen Anlass zu Missverständnissen. Und nun habe ich die alte Schwäche, dass ich mich relativ klar ausdrücke. Aber das jemandem vorzuwerfen, finde ich ein Problem."

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