Neues Schiedsgericht entscheidet über NS-Raubgut

Ab Montag kann in Deutschland ein neu eingeführtes Schiedsgericht über die Rückgabe von NS-Raubgut entscheiden. Bei strittigen Fällen von Kulturgütern, die Menschen durch Verfolgung während der NS-Zeit verloren haben, können 36 Schiedsrichter Verfahren führen, teilte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) am Sonntag in Berlin mit. Das Präsidium ist besetzt mit Elisabeth Steiner, ehemals Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und Peter Müller, ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht.

»Mit dem Start der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut findet ein umfassender Reformprozess seinen erfolgreichen Abschluss. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen: Der Staat steht zu seiner historischen Verantwortung«, so Weimer. Es handle sich um mehr als eine institutionelle Reform. Das Schiedsgericht sei »Ausdruck unserer moralischen Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Erben«.

Es gab in der Vergangenheit allerdings auch Kritik am reformierten Rückgabeverfahren: Anfang des Jahres warnten Anwälte, Historiker und Erben in einem offenen Brief, Opfer würden dadurch schlechter gestellt. Sie sagten: Lieber keine Reform als diese.

Tausende Kommunen mit Kultureinrichtungen hätten sich nicht zu den Schiedsverfahren bekannt, es sei nicht absehbar, dass sie das in Zukunft tun würden, hieß es. Ganze Opfergruppen, wie verfolgte Kunsthändlerinnen und Kunsthändler, könnten mit den neuen Regeln ihre während der NS-Zeit unter dem Druck der Verfolgung veräußerten Kunstwerke nicht mehr zurückerhalten, glauben sie. Dies sei »für das Ansehen Deutschlands katastrophal«.

Schiedsgericht ersetzt »Beratende Kommission«

2003 wurde eine »Beratende Kommission« als Schlichtungsstelle gegründet, anfangs oft »Limbach Kommission« genannt. Sie kam in der Vergangenheit allerdings selten zum Zug, auch weil dafür die Zustimmung beider Streitparteien notwendig war.

Seit 2017 leitete Hans-Jürgen Papier diese Kommission. 2023 sprach der Staatsrechtler und frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts im SPIEGEL von einem oft »unwürdigen Gezerre um Kunstwerke« . Wegen unverbindlicher Regeln habe man nur empfehlen, aber nichts entscheiden können.

Einer der bekanntesten Streitfälle ist das Werk »Madame Soler« von Pablo Picasso. Seit 2009 fordern Nachfahren des Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen das Gemälde zurück. An die »Beratende Kommission« konnten sie sich allerdings nicht wenden, weil der Freistaat nicht zustimmte. Seiner Ansicht nach liegt keine Raubkunst vor. Nun soll der Fall ans Schiedsgericht.

Kläger können sich bald direkt an das Schiedsgericht wenden

Durch eine sogenannte einseitige Anrufbarkeit des Schiedsgerichts sollen Opfer von geraubtem NS-Kulturgut oder ihre Erben bald einen erleichterten Zugang zu Verfahren erhalten – insbesondere bei Kulturgut im Besitz der öffentlichen Hand. Kläger können sich direkt an das Schiedsgericht wenden und um eine Entscheidung bitten. Das betroffene Museum muss dem nicht mehr zustimmen.

Dazu sind die Entscheidungen der Schiedsgerichte verbindlich. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte das neue Schiedsgericht. Zugleich forderte er: »Um Ansprüchen auf solche Kulturgüter auch in privatem Besitz eine Rechtsgrundlage zu geben, muss nun als Nächstes, wie von der Koalition festgeschrieben, ein Restitutionsgesetz in die Tat umgesetzt werden.«

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag ein Restitutionsgesetz versprochen. Ein solches Gesetz fordern auch der Zentralrat der Juden und die Jewish Claims Conference. Die Schiedsgerichte unterstützen sie aber grundsätzlich.

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