AfD-Abgeordnete werben für Wehrpflicht
Pablo Picasso schaffte schon zu Lebzeiten das schwer Denkbare: Der kommunistische Ostblock verehrte ihn genauso wie der kapitalistische Westen. Vielleicht ist es also gar nicht verwunderlich, dass seine Friedenstaube in der linken Friedensbewegung der Siebzigerjahre Anklang fand, wie auch zuletzt in der AfD.
Seit Russland die Ukraine mit Raketen überzieht, ist die Taube auf Parteitagen, Demonstrationen und Wahlplakaten der Rechtsextremen zu sehen. Besonders die ostdeutschen Verbände wollten die AfD als »Friedenspartei« positionieren. Auch Co-Parteichef Tino Chrupalla äußerte sich entsprechend.
Lange rang man in der Partei deshalb mit der Frage, wie offensiv das Thema Wehrpflicht gespielt werden soll. Eigentlich ist die Sache klar: In ihrem Grundsatzpapier hat sich die in Teilen kremlnahen AfD auf eine Wiedereinführung der Wehrpflicht verständigt. Dennoch geht es zwischen Kritikern und Befürwortern hin und her. In der Fraktion zeichnet sich nun aber eine Linie ab.
Die AfD will nach der parlamentarischen Sommerpause einen Antrag in den Bundestag einbringen, in dem sie die Wiedereinführung der Wehrpflicht fordert. Der Entwurf liegt dem SPIEGEL vor. Darin heißt es, man wolle die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht »wiederherstellen«.
Widerstände in der eigenen Partei
Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen sagt, die Wehrpflicht würde besonders bei der jungen Generation bestimmt keine »Begeisterungsstürme auslösen«, sei aber »das richtige Mittel, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sicherzustellen«.
Lucassen ist Leiter des Arbeitskreises Verteidigung in der Bundestagsfraktion, die Mitglieder des Arbeitskreises haben den Entwurf gezeichnet. Nun wird er in anderen Arbeitskreisen diskutiert, wieder zu den Verteidigungspolitikern zurückgespielt und dann voraussichtlich im September eingebracht. Dass er noch gestoppt wird, gilt als unwahrscheinlich.
Damit haben sich die Verteidigungspolitiker gegen einige Widerstände in der eigenen Partei durchgesetzt, die unter anderem aus den Ost-Landesverbänden kommen.
Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke sprach sich erst im März auf X gegen eine Wehrpflicht »im jetzigen gesellschaftlichen Klima« aus. Diese Argumentation teilen viele in der Partei und auch an der aktivistischen Basis ist sie verbreitet: Dort ist man zwar grundsätzlich für eine Wehrpflicht, will aber nicht als Soldat unter die Kontrolle einer Regierung Merz geraten. Man könnte diese Position auch so paraphrasieren: Wehrpflicht ja, aber erst, wenn die AfD regiert.
In anderen Landesverbänden im Osten hört man Ähnliches. Jörg Urban ist Vorsitzender der AfD in Sachsen und für die Einführung einer Wehrpflicht. Er betont aber, wie wichtig »die strikte Trennung zwischen Wehrpflicht und Kriegsdienstpflicht sei. »Denn wer möchte es schon einer, vielleicht korrupten, vielleicht unfähigen, Regierung überlassen, ob er in den Schützengraben muss«, so Urban in einem Post auf Facebook.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, sagte dem SPIEGEL, er sei für die Wiedereinführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Jedoch will die AfD in Sachsen-Anhalt sich von dem »Aggressionskurs der CDU unter Merz« unterscheiden und die Bundeswehr »als Verteidigungsarmee« stärken, »ohne dabei Konflikte zu befeuern«.
In Sachsen-Anhalt stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Dann wird sich zeigen, ob das Wehrpflicht-Thema die AfD womöglich bei jungen Ostdeutschen Stimmen kostet.