Russland rekrutiert Kämpfer aus 48 Ländern - allein in Moskau
Allein im Moskauer Rekrutierungszentrum wirbt Russland aus dutzenden Ländern Kämpfer für den Krieg gegen die Ukraine an. Das zeigen Hacker-Daten, die Exil-Journalisten zugänglich gemacht wurden. Die meisten kommen aus Nepal, auch einzelne Männer aus der EU tauchen in der Liste auf.
Russland kann im Ukraine-Krieg mehr denn je auf die Unterstützung aus Nordkorea bauen, setzt iranische Drohnen ein und baut seine Partnerschaft mit China aus. Indirekt unterstützen noch viel mehr Länder den Angreifer - auch direkt auf dem Schlachtfeld. Für Russland kämpfen mittlerweile Soldaten aus dutzenden Ländern. Das zeigt eine Auswertung des russischen Exil-Mediums iStories.
Die Journalisten-Plattform mit Sitz in Lettland ist an Rekrutierungsdaten aus Moskau herangekommen. Grund dafür war ein Leck bei der medizinischen Datenbank Emias. Das Portal verwaltet elektronische Gesundheitsakten in Moskaus öffentlichen Krankenhäusern und in das System werden auch die medizinischen Untersuchungen neuer Rekruten eingetragen.
Hacker konnten Daten des Moskauer Rekrutierungsbüros aus dem Zeitraum von April 2023 bis Mai 2024 abgreifen und stellten sie den Exil-Reportern zur Verfügung. Diese filterten schließlich heraus, dass im besagten Zeitraum allein in Moskau über 1500 Menschen aus 48 Ländern für den Krieg rekrutiert wurden.
300 Rekruten in einer "Wohnung" gemeldet
Bei den Rekruten in Moskau wurde ein- und dieselbe Wohnadresse angegeben: Jablotschkow-Straße 5, Gebäude 1. Das ist die Adresse der Rekrutierungsstelle. Hier müssen die kampfbereiten Männer ihre Bewerbungsunterlagen und Fotos einreichen. Danach werden sie medizinisch untersucht und bekommen ein russisches Bankkonto, auf das ihr Sold eingezahlt wird.
Besonders kurios ist, dass ausgerechnet fast 300 Menschen in einer einzigen Wohnung gemeldet sind: Raum 302 in der Jablotschkow-Straße 5. Dabei handelt es sich laut den Investigativ-Reportern ausgerechnet um den Raum, in dem die medizinischen Untersuchungen der Rekruten stattfinden.
Im nächsten Schritt müssen sich die ausländischen Kämpfer im Ausbildungszentrum melden. Hier warten sie auf ihren Einberufungsbefehl. Das dauert in den meisten Fällen etwa zwei Wochen, berichtet iStories. Dann beginnt die Ausbildung, bevor sie in den Krieg geschickt werden. Die Reporter haben ihre Informationen aus erster Hand - von Männern, die zum Beispiel bei Tiktok über ihre Rekrutierung berichten.
Nepalesen stark überrepräsentiert
Die meisten von ihnen kommen aus Nepal. Über 600 der gut 1500 in Moskau rekrutierten Ausländer stammen aus dem kleinen Land zwischen Indien und Tibet. Zunächst seien sie in kleinen Gruppen gekommen, dann wurden es immer mehr, berichtet das russische Exil-Medium. Der Höhepunkt wurde im Oktober 2023 erreicht, als allein über 370 Männer aus Nepal in dem Moskauer Büro rekrutiert wurden.
Vergangenes Jahr im April hatte CNN berichtet, dass insgesamt bereits bis zu 15.000 Männer aus Nepal für Russland kämpfen - angelockt mit viel Geld. Einige kamen traumatisiert zurück, einige gar nicht.
In Nepal könnten die Männer nie so viel Geld verdienen. Deshalb lassen sich viele zum gefährlichen Kriegseinsatz verleiten. Nach einer Grundausbildung im Schnellverfahren werden sie an die Front geschickt. Dort sind sie meist Kanonenfutter.
Das gilt auch für viele Kämpfer aus den anderen Ländern - der Kreml lockt die größtenteils jungen Männer aus ärmlichen Verhältnissen mit vergleichsweise viel Geld - zusätzlich bekommen sie manchmal die Chance auf eine schnelle Einbürgerung in Russland.
Selenskyj: "Wir können nicht gegen so viele Länder kämpfen"
Ab November 2023 wurden schlagartig weniger Nepalesen rekrutiert. Nach immer mehr Medienberichten hatten die nepalesischen Behörden den Kreml gebeten, künftig keine ihrer Landsleute mehr als Soldaten anzuwerben. Deshalb gingen auch im Moskauer Rekrutierungsbüro die Zahlen deutlich zurück - trotzdem kamen auch noch Anfang 2024 mehr Nepalesen als Männer aus einem anderen asiatischen Land.
Peking greift offiziell nicht in den Krieg ein, heißt es immer wieder. China dementiert auch Waffenlieferungen - einzelne Freiwillige ziehen aber offenbar doch für den Kreml in den Krieg. "Das ist eine ernste Sache", hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu gesagt. "Ich weiß, dass wir ein starkes Land sind, aber wir können nicht gleichzeitig gegen so viele Länder kämpfen."
Auch Kubaner und Serben für Russland im Krieg
Asiaten sind insgesamt stark überrepräsentiert. Männer aus etlichen Postsowjetstaaten ziehen für Russland in den Krieg. In der Moskauer Jablotschkow-Straße wurden von April 2023 bis Mai 2024 86 Männer aus Tadschikistan registriert und je 71 aus Belarus sowie Usbekistan. 64 kamen aus Kirgisistan, 59 aus Kasachstan, 29 aus Aserbaidschan und 25 aus der von Russland angegriffenen Ukraine. Jeweils weniger als 20 Soldaten stammen aus Turkmenistan, Moldau, Armenien und Georgien, zeigen die Moskauer Daten.
Beim Blick auf afrikanische Rekruten sind Ägypter überrepräsentiert: 31 haben sich in Moskau registrieren lassen. Dahinter folgen knapp zwei Dutzend Rekruten aus Ghana (26). Die anderen afrikanischen Länder sind mit maximal zehn Rekruten in der Liste zu finden.
Achtmal finden sich Kubaner in der Datenbank wieder. Auf der Karibikinsel soll sich sogar ein russisches Schleusernetzwerk gebildet haben. "Sie sind an der Front, um die russischen Truppen zu schützen. Sie sind Kanonenfutter", hat die kubanische Mutter eines angeworbenen Soldaten bei ntv gesagt.
Ebenfalls acht Soldaten aus Serbien wurden in Moskau rekrutiert. Es gibt kein westliches Land, aus dem so viele Soldaten für Russland in den Krieg ziehen, wie aus dem orthodoxen Balkanstaat.
Sogar Rekruten aus der EU
Einige der Rekruten kommen sogar aus der EU. Lettland ist mit 4 Personen in der Liste vertreten, Italien und Frankreich tauchen je zweimal auf. Bei dem Franzosen handelt es sich um einen 21-Jährigen, der in Moskau lebt und dort als Model arbeitet. "Seit seiner Kindheit hat er an orthodox-patriotischen Lagern teilgenommen", berichtet "iStories". Seine Mutter ist Ökonomin und tritt regelmäßig als Wirtschaftsexpertin im französischen Kanal der russischen Propagandamedien RT und Sputnik auf.
Außerdem tauchen Österreich, Belgien, Dänemark, Griechenland und Kroatien je einmal in der Liste auf. Bei dem Dänen handelt es sich um einen 34-jährigen Rapper, der laut eigener Aussage den Soldaten-Vertrag unterschrieb, weil er russischer Staatsbürger werden wollte und glaubte, sich seinen Einsatzort selbst aussuchen zu können. Doch er wurde in die Ukraine geschickt. Sein Anwalt boxte ihn, gut ein Jahr nachdem er im Moskauer Rekrutierungsbüro aufgetaucht war, aus seinem Vertrag raus. Seitdem lebt der Mann in der russischen Hauptstadt, nach Dänemark will er nicht zurück, weil er dort eine Strafe wegen seines Einsatzes befürchtet.
Darüber hinaus wurden auch ein Brite und ein Amerikaner im Moskauer Rekrutierungszentrum vorstellig. Ein ehemaliger US-Soldat, 30 Jahre alt, aus dem Bundesstaat Nevada, wurde im Februar 2025 in der Jablotschkow-Straße untersucht. "Sein weiteres Schicksal ist unbekannt", schreibt iStories.
Ein Deutscher taucht in der Liste aus Moskau übrigens nicht auf. Sicherheitsbehörden gehen laut ZDF von insgesamt 300 bis 800 deutschen Staatsbürgern aus, die für Russland in der Ukraine im Krieg sind. Das Rekrutierungszentrum in Moskau haben sie aber nicht durchlaufen.
Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich hieß es, es handele sich bei den in Moskau rekrutierten Männern aus dem Ausland um Söldner. Das ist falsch, da die angesprochenen Männer in die reguläre russische Armee aufgenommen wurden und es sich damit gemäß Genfer Konventionen nicht um Söldner handelt. Wir bitten, diese Ungenauigkeit zu entschuldigen.