Göring-Eckardt zu Varwick: "Unterstellen Sie doch nicht so ein Zeug!"

Die Friedensgespräche für die Ukraine liegen im Moment auf Eis. Doch vielleicht könnten sie wieder aufgenommen werden, hofft die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Sie ist zu Gast bei "Maischberger" und diskutiert mit einem Skeptiker weiterer massiver Waffenlieferungen.

"Wladimir Putin spielt offenbar weiter auf Zeit", hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius erkannt. Das ist jedoch nichts Neues. Nach einem Telefongespräch, das der russische Präsident und US-Präsident Trump geführt haben, ist klar: Der Frieden in der Ukraine ist in weiter Ferne. Trump fällt Europa unterdessen in den Rücken und lehnt Sanktionen gegen Russland ab, obwohl er sie vorher angekündigt hatte.

"Wie kann es einen Frieden in der Ukraine geben?", fragt Sandra Maischberger am Abend einmal mehr in ihrer ARD-Talkshow. Katrin Göring-Eckardt soll das beantworten. Die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin hat in den vergangenen Jahren Waffenlieferungen an das Land unterstützt. Johannes Varwick, Professor für internationale Beziehungen an der Universität in Halle, sieht das grundsätzlich anders. Man müsse mit Putin verhandeln, fordert er seit Beginn des Ukrainekrieges. Diese Verhandlungen hätte es nun geben können, hätte sich Russlands Präsident Putin nicht davor gedrückt. Immerhin sei nun Bewegung in die Angelegenheit gekommen, sagt Varwick bei "Maischberger". "Der einzige Ausweg aus dieser Sache ist, dass Russland gewissermaßen seinen blutigen Irrweg erkennt, haltmacht und umkehrt", so der Wissenschaftler. Gut sei, dass jetzt die Vereinigten Staaten auf Diplomatie setzen. "Der Konflikt ist nicht einfach lösbar. Vielleicht ist er sogar unlösbar geworden. Aber der Versuch ist ein guter."

Diplomatische Kanäle habe es immer gegeben, widerspricht Göring-Eckardt. "Putin hat alle hingehalten." Während er mit Trump redete - offenbar nicht über Frieden, habe er "einen Bus bombardiert, in dem Zivilisten saßen". Zudem habe er die Ukraine mit "wahnsinnig vielen Drohnen" attackiert. "Er hat den Krieg angeheizt und verschärft, während er scheinbar gesprochen hat." Göring-Eckardt forderte, dass Europa mit klaren Sanktionen reagieren müsse.

"Europäer verhindern Kompromisse"

Varwick denkt unterdessen weiter und fragt: "Gibt es einen Weg, dass die Ukraine zu einem gerechten Frieden kommt?" Und er beantwortet seine eigene Frage mit einem "Nein". Varwick fordert: "Wir müssen über Interessenausgleich reden. Das ist das Neue, das Donald Trump in die Runde geworfen hat: Dass auch die russischen Interessen berücksichtigt werden, so unangenehm sie auch sind." Entsprechende Vorschläge hätten die Amerikaner gemacht: Die Ukraine solle nicht Nato-Mitglied werden und müsse einen Teil ihrer Gebiete an Russland abgeben. Das wollten die Europäer nicht akzeptieren. "Aber so kann man an diese Fragen nicht rangehen. Wir wollen doch, dass dieser Krieg aufhört. Und er kann entweder in einen weiteren jahrelangen Abnutzungskrieg gehen, oder er kann auch noch eskalieren. Und das wollen die Amerikaner verhindern." Dabei würden die Europäer sie jedoch nicht unterstützen, indem sie keine Kompromisse möglich machten.

"Zu behaupten, die Ukraine sei verloren, das minimiert nicht nur die Erfolge, die die Ukraine hatte, sondern es minimiert komplett den Verlauf dieses Angriffskrieges", entgegnet Göring-Eckhardt. Russland habe seine Kriegsziele nicht erreicht, die Ukraine zu besetzen. Gleichzeitig müsse man auch über Putins Ziele sprechen: "Er will nicht nur die Krim haben, sondern er möchte sein russisches Reich ausweiten." Für Europa sei die Ukraine eine elementare Sicherheitsfrage. "Es geht darum, ob wir in Europa in Sicherheit leben", so die Grünen-Politikerin weiter.

"Es gibt eine Zukunft für die Ukraine", entgegnet Varwick. Doch dazu müsse Russland seinen Irrweg erkennen, wiederholt er. "Und das geht nur, wenn wir einen Krieg mit Russland führen." "Wenn man nachhaltigen Frieden will, muss man Voraussetzungen für Verhandlungen schaffen", so Göring-Eckardt. "Dazu muss klar sein, dass die Europäer nicht nur Waffen liefern, und es geht natürlich darum, die Sanktionen zu verschärfen."

"Wir haben doch gesehen, dass die siebzehn Sanktionspakete bisher keine Wirkung in dem Sinne gehabt haben, dass Russland sein Verhalten ändert", stellt Varwick fest. Die Sanktionen hätten in Wahrheit dem Westen mehr geschadet als Russland. "Russland ist leider in der Lage, auf die Sanktionen zu reagieren. Es hat seine Wirtschaftskreisläufe neu organisiert. Das ist alles bitter, aber es war eine massive Fehleinschätzung, dass man Russland mit Sanktionen in die Knie zwingen kann." Gleichzeitig sei die Ukraine vom Westen nicht ausreichend militärisch unterstützt worden, um einen Krieg mit Russland zu vermeiden. "Und das ist auch vernünftig", sagt Varwick. Er fordert: "Wir brauchen Stabilität, Eskalationskontrolle, und dann kann man auf der Basis versuchen, die Dinge auch wieder zu stabilisieren. Das ist nicht die Aufgabe für heute, sondern für morgen und übermorgen."

Wie gefährdet ist Deutschland?

Dass man in Deutschland in den nächsten Jahren Angst vor russischen Übergriffen haben muss, glaubt Varwick nicht. "Ein Russland, das nicht in der Lage ist, in der Ukraine voranzukommen und die militärischen Ziele zu erreichen, unterstellen wir gleichzeitig, es steht morgen am Brandenburger Tor. Das passt alles nicht zusammen." Strittig sei, was Russland erreichen wolle. Russlands Intention sei aber auf keinen Fall, Polen oder die baltischen Länder zu überfallen. "Und die Fähigkeiten sind ganz gewiss nicht da", so Varwick weiter.

"Unterstellen Sie doch nicht so ein Zeug", wird Göring-Eckardt wütend. Putin wolle die alte Stärke der Sowjetunion zurück. Er wolle seine Einflusssphäre erweitern. Deswegen müsse es weiter diplomatische Versuche geben, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Jedoch dürfe auch die westliche militärische Unterstützung für das Land nicht enden, fordert Göring-Eckardt.

"Wenn in der Ukraine unsere Sicherheit verteidigt wird: Warum gehen wir dann nicht mit eigenen Soldaten dort hinein? Das wäre doch nur glaubwürdig", fragt Varwick.

Göring-Eckardt antwortet: "Es macht keinen Sinn, mit eigenen Soldaten dort hineinzugehen. Es macht aber Sinn, dafür zu sorgen, dass die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine ausreichend hergestellt ist, und es macht Sinn, die Sanktionen zu verschärfen." Damit hat sie die Frage zwar nicht beantwortet, aber niemand hakt nach. Und auch dieses Gespräch wäre fast ohne einen Schimmer von Hoffnung zu Ende gegangen, hätte Maischberger nicht den Papst ins Spiel gebracht, der sich jetzt als Vermittler einschalten will. "Ich habe bei jedem Gespräch Hoffnung. Alles andere wäre ja Quatsch", sagt Göring-Eckardt. "Und ich finde, der neue Papst hat ja sehr schnell gesagt, es gehe um gerechten Frieden, und er hat damit auch ein Statement verbunden."

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