Ein Technikfreak wird Digitalminister
Vor einigen Monaten lässt sich Karsten Wildberger im Branchen-Podcast der »Online Marketing Rockstars« befragen. Der Chef der »MediaMarkt-Saturn«-Kette spricht über seinen bewegten Lebenslauf, der ihn schon nach Australien und Großbritannien geführt hat. Es sei in der Rückschau nicht leicht, seinen Werdegang zu erklären: Es seien oft Stationen gewesen, die er gemacht habe, »weil ich neugierig war, es sich so ergeben hat und ich vor allem auch Menschen getroffen habe, mit denen ich ein gutes Gefühl hatte«.
Einer davon war offenbar Friedrich Merz, dem er 2021 als Vizepräsident des parteinahen CDU-Wirtschaftsrats nachfolgte. Nun vertraut der designierte Bundeskanzler Wildberger eine deutlich schwierigere Aufgabe an: Er soll der erste Digitalminister der Republik werden. Die Personalie kam am Montag für viele Beobachter überraschend.
Merz erwartet einen »Modernisierungsschub«
Merz hob sie bei seiner Vorstellung der CDU-Minister hervor. Es handele sich »nicht nur um ein neues Amt, sondern um einen gewollten Wechsel der Strategie im Umgang mit Digitalisierung und Staatsmodernisierung«, so Merz. Die Themen seien nicht mehr »irgendwelche Anhängsel« anderer Ministerien, sondern fortan »eine zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung«.
Doch wer ist der Mann, von dem Merz erwartet, dass der dem Land einen »Modernisierungsschub« verpasst?
Wildberger hat an zwei führenden technischen Universitäten der Republik studiert, der TU München und der RWTH Aachen. Er ist promovierter Physiker, wie Angela Merkel, und damit enden die Gemeinsamkeiten: In Merkels Amtszeiten als Kanzlerin entstand jener Digitalisierungsrückstau, den Wildberger nun auflösen soll.
Der 55-Jährige hat sein Berufsleben weitgehend mit dem verbracht, was Merkel noch 2013 als »Neuland« bezeichnete. Er bezeichnet sich als Technikfreak und trägt einen dicken Smart-Ring am linken Zeigefinger, der diverse Gesundheitsdaten aufzeichnen kann – eines der Gadgets, die der Elektronikhändler bislang vermarktete.
Seine Wirtschaftskarriere begann Wildberger bei einem bekannten Beratungsunternehmen, wo er sich unter anderem mit Telekommunikation befasste. Von dort aus wechselte er zu diversen Branchenriesen wie der Telekom (T-Mobile UK), Vodafone und Telstra in Australien, wo er mehr als vier Jahre lebte. Was ihn dort begeistert habe, sei die »Freundlichkeit, diese Neugier, diese Can-Do-Attitude«, sagt Wildberger. Offenbar hat das auf ihn abgefärbt: Man müsse auch hierzulande mal »dynamische Debatten« führen, so der Manager: »Wie kriegen wir das Ding mal aufgebrochen, damit wir was auf die Reihe kriegen?«.
Nach fünf Jahren im Vorstand des Energieversorgers E.on wechselte Wildberger als Vorstandschef zu Ceconomy, einer Holding, zu der die MediaMarkt-Saturn-Kette mit ihren über 1000 Filialen gehört. Auch MediaMarkt-Saturn hatte die Digitalisierung lange verschlafen. Wildberger wurde als Change-Manager geholt, als Mann, der die eher langweiligen Elektronikmärkte auffrischen und die Onlinestrategie des Konzerns zukunftssicher gestalten sollte. Im Geschäftsjahr 2023/24 stieg der Umsatz um etwas mehr als fünf Prozent auf 22,4 Milliarden Euro, der Nettogewinn lag bei mageren 76 Millionen – allerdings hatte es im Vorjahr noch 37 Millionen Verluste gegeben.
»Eher Abarbeiter als kreative Rampensau«
Nun soll Wildberger als Change-Manager des Bundeskanzlers also Staat und Verwaltung transformieren. Kann das einem Politikneuling ohne Berliner Netzwerk gelingen? Wird er, mit seinen Worten, auch »das Ding« aufbrechen können?
Wenn man mit Weggefährten und Kolleginnen spricht, ist Anerkennendes zu hören. Er sei »smart, diszipliniert, ein harter Arbeiter und jemand, der sich tief in die Themen hineinarbeite«, sagt ein Geschäftspartner, »eher der Typ Abarbeiter als kreative Rampensau«. Wildberger sei »ein Kopfmensch und kein Menschenfänger«, sagt auch ein anderer langjähriger Wegbegleiter, er wirke auf viele womöglich erst einmal blass. Was er gar nicht möge: Wenn Gesprächspartner nicht auf den Punkt kämen, da könne er ungeduldig werden. In Krisensituationen hingegen habe Wildberger kühlen Kopf bewahrt – etwa als MediaMarkt-Saturn Opfer einer Cyberattacke geworden sei.
In der neuen Bundesregierung übernimmt Wildberger eine schwierige Mission. Wie gut er sie erfüllen kann, wird sich früh entscheiden. Anders als die übrigen designierten Minister muss Wildberger sein Ministerium noch aufbauen. Es soll ein Mosaik aus bestehenden Abteilungen und Referaten werden, bisher sind die Zuständigkeiten für die Digitalisierung über viele Ministerien verstreut. Die Details wurden im Koalitionsvertrag allerdings ausgespart – der genaue Zuschnitt muss noch festgelegt werden.
Eine lange Einarbeitungszeit wird er nicht bekommen
Damit wird sich entscheiden, wie durchsetzungsstark Wildberger tatsächlich agieren kann. Klar ist: Die seit Jahren nur im Kriechgang voranschreitende Verwaltungsdigitalisierung wird aus dem Bundesinnenministerium ins Digitalministerium wandern. Aber was ist etwa mit der Zuständigkeit für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)? Wird der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sich dieses zunehmend wichtige Thema nehmen lassen? Wie hoch wird das Budget fürs neue Ministerium ausfallen? Es wird um Macht- und Verteilungsfragen gehen, Kontroversen sind programmiert.
Wildberger wird Menschen mit Verwaltungserfahrung brauchen und die volle Rückendeckung von Merz. Viel Einarbeitungszeit wird er nicht bekommen.
Das öffentliche Amt bedeutet für Wildberger mehr Rampenlicht, aber auch eine erhebliche finanzielle Verschlechterung. Laut Geschäftsbericht seines bisherigen Arbeitgebers lag seine Gesamtvergütung im Geschäftsjahr 2023/24 bei etwas über 2,8 Millionen Euro.
Sein Ministergehalt wird bei deutlich weniger als einem Zehntel dieser Summe liegen.