Darf mein Chef mich anschreien?

Das Projekt stockt, der Kunde zickt - und plötzlich rastet der Vorgesetzte aus. Manche Führungskräfte haben eine kurze Zündschnur. Aber müssen Mitarbeitende es hinnehmen, angebrüllt zu werden?

Es gibt Führungskräfte, die schnell die Geduld verlieren. Und sich dann im Ton vergreifen, laut oder ausfällig werden, wenn sie Kritik üben. Müssen sich Arbeitnehmer das gefallen lassen? Doch egal, wie groß das Problem ist - anschreien sollte einen der Arbeitgeber trotzdem nicht, so Ulrike Kolb, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber dürfen die Arbeit ihrer Angestellten kritisieren oder Weisungen erteilen, müssen dabei aber sachlich bleiben. Ein unangemessener Ton ist fehl am Platz.

Vergreift sich die Führungskraft gegenüber Mitarbeitenden im Ton, ist das nicht nur ein Zeichen schlechten Führungsstils - sondern verletze auch eine besondere Fürsorgepflicht, erklärt Kolb. Angestellte müssen vom Arbeitgeber sowohl vor psychischen als auch physischen Gesundheitsschäden geschützt werden. Unsachliche Kritik oder Anschreien können eine erhöhte psychische Belastung darstellen.

Wenn Schikane zur Belastung wird

Treten dadurch körperliche Beschwerden wie etwa Herzrasen, Nervosität oder Schlaflosigkeit auf, sollte innerhalb des Betriebs Hilfe herangezogen werden. Das kann durch Vorgesetzte, den Betriebsrat oder aber auch durch offizielle Beschwerden im Betrieb geschehen.

Aber was können Arbeitnehmer tun? Als ersten Schritt sollte die Führungskraft auf das unangemessene Verhalten hingewiesen und gebeten werden, ihre Kritik künftig sachlich vorzutragen. Arbeitnehmer sollten sich das notieren und auch festhalten, wer das Gespräch mitbekommen hat", so der Fachanwalt. Solche Aufzeichnungen können im Zweifelsfall vor Gericht den Nachweis erleichtern.

Wenn keine Besserung in Sicht ist, müssen Arbeitnehmer den nächsten Schritt gehen. Etwa, indem sie von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er auf die Führungskraft einwirkt.

Der Arbeitgeber wird in der Regel versuchen, der Führungskraft den Rücken zu stärken - um ihre Autorität nicht zu untergraben. Ein Arbeitnehmer muss also mit Schwierigkeiten rechnen, wenn er diesbezüglich etwas durchzusetzen versucht.

Übrigens: Unsachliche Kritik in Form von Beleidigungen sind laut dem Strafgesetzbuch sogar strafrechtlich relevant.

Zur Person: Ulrike Kolb ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin, Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV) und im Berliner Anwaltsverein.

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