"Merciful Death": Überleben ist alles

In Oregon lässt es sich gut leben: "Washington" ist weit weg. Sicherheit, Freiheit und Autarkie bestimmen das Leben einer ganzen Stadt voller Prepper. Als mehrere von ihnen ermordet werden und gleichzeitig Dutzende Waffen verschwinden, rückt das FBI an.

"Was stimmt mit ihrer Familie nicht?" Diese Frage hat sich Mercy Kilpatrick schon vor 15 Jahren gestellt. Damals hat sie ihr den Rücken gekehrt und alle Brücken hinter sich abgebrochen. Nun fragt sie sich das erneut: Mercy ist mittlerweile FBI-Spezialagentin und muss zurück in ihre kleine Heimatstadt im US-Bundesstaat Oregon, denn dort scheint ein Serienkiller sein Unwesen zu treiben. Die Opfer sind allesamt Prepper - und deren unzählige Waffen jeweils verschwunden. Das Bureau sieht darin Hinweise auf einen bevorstehenden Terroranschlag.

Ein Terroranschlag ist auch in Mercys Augen nicht unwahrscheinlich, schließlich sind die Bürger der Kleinstadt alles andere als Obrigkeitsfreunde. Ein Großteil der Bewohner sind Überlebenskünstler, im wahrsten Sinn des Wortes. Sie bereiten sich systematisch auf den Tag X vor, das Ende der Welt, "the end of the world as we know it". Es sind aber nicht diese Worte, die Mercy eine Gänsehaut bescheren, sondern vielmehr ihre Rückkehr in den Ort. Sie wird definitiv ihrer Familie über den Weg laufen und damit wird sich dann auch eine längst verheilte Wunde aus ihrer Vergangenheit wieder öffnen. Ein düsteres Geheimnis könnte sich dann Bahn brechen und ihr mühsam aufgebautes neues Leben zum Einsturz bringen.

Schon als Mercy mit ihrem FBI-Partner in der Kleinstadt ankommt und sie einen Kaffee trinken wollen, passiert es: Die Verkäuferin, eine Jugendliche, ist Mercy wie aus dem Gesicht geschnitten. Es ist Mercys Nichte, einer ihrer Brüder betreibt das Café. Die beiden wechseln nur vielsagende Blicke. Der Schrecken sitzt Bruder und Schwester gleichermaßen in den Knochen.

Abschreckend und faszinierend zugleich

Mercy hat zwei Brüder und zwei Schwestern, eine davon ist blind. Sie alle sind Teil einer patriarchalisch geführten Prepper-Familie. Der Vater sagt, wo es langgeht, seine Regeln sind klar - und unumstößlich: "Suche Macher, keine Redenschwinger. Wähle deine Freunde mit Bedacht. Sei genügsam. Die Familie kommt immer zuerst." In Mercys Elternhaus gelten zudem die Leitsätze: "Brauch' es auf. Trag' es, bis es auseinanderfällt. Komm zurecht, oder verzichte."

Das Leben nach diesen Mantras hat bei Mercy Spuren hinterlassen. Sie ist fasziniert und abgestoßen zugleich. Aber ihre familiären Verbindungen in die Prepperszene könnten helfen, dem Serienkiller auf die Spur zu kommen. An ihrer Seite ermittelt der örtliche Polizist Truman Daly. Der kann mit dem Preppertum nichts anfangen, auch und gerade weil sein Onkel einer von ihnen ist. Oder besser war, denn auch er starb durch die Hände des Unbekannten. Allerdings muss Trumans Onkel den Mörder gekannt haben, denn es finden sich zwei benutzte Whiskygläser auf dem Küchentisch.

Doch während sich die Bürger der Kleinstadt mit einer alten Gruselgeschichte, der Mär vom "Höhlenmenschen" die Angst zu vertreiben scheinen, ist Mercy schreckensbleich, als sie entdeckt, dass die Häuser der toten Prepper allesamt eine Gemeinsamkeit aufweisen: Alle Spiegel darin wurden zerstört. Das ist ein Bild, das Mercy kennt, aus ihrer Kindheit: Damals wurden zwei junge Frauen ermordet, der Täter aber nie gefunden. Ist er zurück? Hat das Ganze mit Mercys Heimkehr zu tun? Welche Rolle spielen die toten Prepper bei alldem?

Sicherheit, Autarkie, Überleben

Um diese Fragen geht es bei "Merciful Death" der US-Bestsellerautorin Kendra Elliot, erschienen bei Droemer Knaur und Argon. Der Plot ist dabei ein Mix aus klassischem Thriller und Romanze. Letzteres gibt der Geschichte noch einen Kick: Kriegen sich Mercy und Truman? Was trieb Mercy einst aus der Stadt und weg von ihrer Familie? Wo fährt sie immer hin, wenn sie eine freie Minute zum Nachdenken braucht? Auch die Frage packt Elliot gekonnt in den Plot, der eh schon spannend daherkommt.

In einer Zeit, in der der US-Präsident Donald Trump heißt und in der zwei Prozent der US-Amerikaner alle landwirtschaftlichen Produkte für die restlichen 98 Prozent produzieren, ist das Prepper-Thema ein brandaktuelles: Sicherheit, Freiheit, Autarkie, Überleben um jeden Preis.

Als Hörer des von Rebecca Veil fantastisch intonierten Audiobooks bekommt man einen Einblick in die US-Prepperszene, aber auch Tipps für den Heimgebrauch. Das zieht ebenso in den Bann, wie die Geschichte um die Morde und die geheimnisvolle Vergangenheit der titelgebenden Hauptperson. Der Plot startet zwar ruhig, nimmt während der knapp zwölf Stunden Spieldauer aber immer mehr Fahrt auf und wartet auch mit einem Ende auf, das jedem Hollywod-Blockbuster zur Ehre gereicht. Und das Beste: "Merciful Death" ist erst der Start einer neuen Reihe um die FBI-Spezialagentin Mercy Kilpatrick. Familie hin oder her.

Das könnte Ihnen auch gefallen