Warum die Vogelgrippe in diesem Jahr anders ist
Die Vogelgrippe breitet sich in Deutschland in diesem Herbst ungewöhnlich früh und rasant aus. Seit Anfang September hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur 30 Ausbrüche in Geflügelhaltungen sowie 73 Fälle bei Wildvögeln registriert, wobei ein Vielfaches der infizierten Tiere verendet ist.
Um die Verbreitung einzudämmen, werden ganze Bestände von Geflügelmastbetrieben in die Ställe gesperrt oder gar gekeult, also vorsorglich getötet, wenn Infektionen festgestellt werden. Mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten seien bislang getötet worden, erklärte das für Tiergesundheit zuständige FLI.
Die meisten Ausbrüche gibt es derzeit in Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch bei Wildvögeln liegen die Schwerpunkte der Epidemie in dieser Region. Allein in Brandenburg sind demnach mindestens 1500 Kraniche verendet. Das Science Media Center (SMC) hat Forschende zur aktuellen Dynamik befragt.
Was ist dieses Jahr anders als in den Vorjahren?
Neu ist in dieser Saison in Europa das frühe Auftreten der Fälle. »Das Infektionsgeschehen ist nicht mehr vollständig abhängig von der kühlen Jahreszeit. Vorher war Vogelgrippe nur im Winter zu erwarten, jetzt gibt es zumindest bei Wildvögeln das ganze Jahr über Fälle«, sagt Ursula Höfle vom National Game and Wildlife Research Institute in Castilla-La Mancha in Spanien. Die aktuelle Welle habe bereits im Juli begonnen, viel früher als bei der bislang schlimmsten Welle im Jahr 2022.
Zudem unterscheide sich die Situation in der Vielfalt der betroffenen Vogelarten, dem heftigen Verlauf bei infizierten Vögeln, sowie der häufigen Übertragung auf Säugetiere. In Deutschland sind besonders Kraniche betroffen, was bisher nur aus anderen Ländern wie Israel oder Ungarn bekannt war. Ebenfalls neu sei, dass gleichzeitig ein hochpathogenes H7-Virus zirkuliert, das bisher auf Madeira, Portugal, bei einer Möwe detektiert wurde, so Höfle.
Welche Schutzmaßnahmen sollten bei Nutztieren ergriffen werden?
»Für Geflügel gilt es, Sicherheitsmaßnahmen in der Haltung zu überprüfen und den Kontakt zu Wildvögeln zu verhindern«, sagt Timm Harder, Laborleiter am Institut für Virusdiagnostik am FLI. In vielen Bundesländern werden bereits die Abwehrmaßnahmen hochgefahren, Überwachungszonen eingerichtet und Stallpflichten für Geflügelhalter erlassen. Eine bundesweite Regelung soll es laut Landwirtschaftsministerium nicht geben.
Bei Geflügel gebe es Impfungstoffe, die in China, Mexiko oder Frankreich erfolgreich angewendet werden. Allerdings seien die Impfungen mit umfangreichen Überwachungsmaßnahmen verbunden und daher nur bei Enten und Gänsen in Freilandhaltung sowie für Zoovögel sinnvoll – und ungeeignet für die Masthähnchenproduktion. »Generell muss der Einsatz der HPAI-Impfung sehr sorgsam erwogen werden, da auch etwaige Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel mit Geflügelprodukten zu erwarten sind«, so Harder.
Wie gefährlich ist die Vogelgrippe für den Menschen?
»Je mehr Fälle es in Tieren gibt, desto wahrscheinlicher kann es zu zoonotischen Infektionen kommen«, sagt Florian Krammer, Professor für Vakzinologie an der Icahn School of Medicine in New York. Man könne sich schützen, indem man den Kontakt mit Wildtieren, vor allem mit kranken oder sich auffällig verhaltenden Vögeln vermeidet.
Man sollte auch darauf achten, dass Hunde und Katzen zu solchen Tieren keinen Kontakt haben. Für Berufsgruppen, die mit potenziell infizierten Tieren in Berührung kommen, wie Veterinäre, Geflügelbauern, Jäger und weitere, sollte eine saisonale Influenzaimpfung in Erwägung gezogen werden, um sich vor humaner Influenza zu schützen.
»Problematisch wird die Situation für Menschen erst dann, wenn es Mensch-zu-Mensch-Übertragung mit H5-Viren gibt. Momentan ist die Situation für Geflügelbetriebe ein Problem und natürlich für gefährdete Wildvogelpopulationen – aber es gibt keinen Grund zur Panik, was eine Pandemie in Menschen betrifft«, sagt Krammer.
Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe werden die zu keulenden Enten auf einer Entenfarm in Neuhardenberg (Brandenburg) umgesiedelt
Foto: Christian Mang / REUTERS