Der Diamantenstatus bröckelt

Der Ring an Georgina Rodríguez’ Finger soll mindestens zwei, womöglich auch fünf Millionen Dollar gekostet haben. Als die Verlobung der Spanierin mit Cristiano Ronaldo bekannt wurde, war der riesige Diamant an dem Schmuckstück nicht zu übersehen.

Fast schon bescheiden sah dagegen Taylor Swifts Verlobungsring aus. In der amerikanischen »Vogue« schätzte eine Expertin , ein Ring mit einem natürlichen Diamanten dieser Größe könne 400.000 bis 800.000 Dollar gekostet haben.

»Der Diamant steht offensichtlich für Status, Reichtum und Macht, aber heute auch für die Liebe«, sagt Helen Molesworth, Diamant- und Edelsteinhistorikerin des Londoner Victoria-und-Albert-Museums. »Im antiken Indien sowie bei den Römern und Griechen waren Diamanten vorwiegend den Königen und Herrschern vorbehalten.« Zwar gab es vereinzelt bei Adligen im Mittelalter schon Verlobungsringe, erst im 20. Jahrhundert kaufte man aber auch in der breiten Bevölkerung Diamanten zum Antrag.

Heute ist die Tradition des diamantenen Verlobungsrings etabliert. Deshalb erzeugen die großen Klunker immer noch großes öffentliches Staunen – und Spekulationen über deren Millionenwert. Doch der Schein der teuren Exklusivität könnte trügen. Sogenannte synthetische Diamanten oder Labordiamanten  haben den Markt nachhaltig verändert. Vor zehn Jahren machten sie weltweit weniger als ein Prozent des Marktes aus. Inzwischen entfallen laut Paul Zimnisky , Experte für den Diamantenmarkt, schon etwa 20 Prozent auf die synthetische Ware.

Das liegt am Preis: Laut Christine Marhofer, Gründerin und CEO von Nevermined, einem deutschen Hersteller synthetischer Diamanten, bieten Diamanten aus dem Labor einen Preisvorteil von bis zu 70 Prozent gegenüber Minendiamanten, bei farbigen Diamanten sogar noch mehr. Bei anderen Anbietern beträgt die Differenz sogar mehr als 90 Prozent. Dass die Nachfrage nach Labordiamanten steigt, bestätigt auch Christopher Zöttl, Gemmologe und Inhaber eines Juweliergeschäfts in München. 2024 stieg der Anteil synthetischer Diamanten in seinem Geschäft von 10 auf 70 Prozent im Vergleich zu Naturdiamanten.

»Wer seiner Partnerin früher einen natürlichen Halbkaräter gekauft hätte, nimmt jetzt eher den synthetischen Ein- oder Zweikaräter. Für das gleiche Budget bekommt man etwas Größeres aus dem Labor«, sagt er. Ein Ring mit einem natürlichen Zweikaräter koste zwischen 15.000 und 20.000 Euro, während man einen Ring mit einem synthetischen Diamanten der gleichen Größe und Qualität schon ab 3000 Euro bekomme.

Bei Härte, Langlebigkeit und Reinheit sind Labordiamanten mit ihren über viele Jahre entstandenen gewachsenen Pendants nahezu identisch. Selbst Fachleute können die beiden Varianten mit dem bloßen Auge nicht auseinanderhalten, dafür brauchen sie spezielle Geräte. Im Labor lassen sich die Unterschiede aber klar feststellen. »Synthetische Diamanten unterscheiden sich in ihren Wachstumsstrukturen und spektralen Eigenschaften klar von den natürlichen«, sagt Laurent Cartier, Forscher für Edelsteine am Schweizerischen gemmologischen Institut.

»Wenn man einen Diamantring am Finger trägt, sagt man der Welt, jemand liebt mich«

Labordiamanten werden oft dafür kritisiert, den Diamanten vom exklusiven Produkt zur Massenware zu machen. Das Image des raren Unikats haben Naturdiamanten, weil sie bis ins 19. Jahrhundert wirklich schwer zu finden waren. Doch der Fund eines Diamanten löste in den 1860er Jahren einen Diamantenrausch in Südafrika aus. Diese Vorkommen drohten den Markt zu überschwemmen und die Steine zu entwerten. Mineninhaber schlossen sich zusammen und gründeten die Firma De Beers . Mit künstlicher Verknappung und erhöhter Nachfrage hielten sie das Preisniveau hoch.

Der Hauch von Exklusivität ist Teil der Geschichte, die um den Stein gesponnen wird und seine gesellschaftliche Wirkung erklärt: »Wenn man einen Diamantring am Finger trägt, sagt man der Welt, jemand liebt mich. Wenn man sich mit Diamantohrringen schmückt, zeigt man seinen Wohlstand. Und wenn man ausgefallenen Diamantschmuck präsentiert, sagt man, ich bin reich UND ich habe Geschmack«, sagt Schmuckkuratorin Molesworth.

Dass Diamanten heute Bestandteil vieler Verlobungen sind, ist das Ergebnis cleveren Marketings. De Beers startete in den Dreißigerjahren eine prominent besetzte PR-Kampagne, die Botschaft: Ein möglichst großer Stein unterstreicht die Liebe. Selbst die später häufig angeführte Faustregel, ein Ring solle zwei Monatsgehälter kosten, stammt von De Beers.

Der berühmte Werbespruch »A diamond is forever« sollte nicht nur die romantische Symbolik betonen, sondern auch verhindern, dass Diamanten weiterverkauft werden. Denn der Stein verliert bis heute beim Weiterverkauf deutlich an Wert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass synthetische Diamanten einen deutlich größeren Wertverlust haben. Ein stabiles Investment sind nur wirklich seltene, große und farbige Exemplare.

Trotzdem haben Labordiamanten in den Augen vieler einen anderen großen Vorzug – sie stammen nicht aus Minen. Unkontrollierter Diamantenhandel trug besonders in den Neunzigerjahren zur Finanzierung der Bürgerkriege in Angola, Liberia und Sierra Leone sowie der Demokratischen Republik Kongo (DRK) bei. Um Geschäfte mit sogenannten Blutdiamanten einzudämmen, trat 2003 der Kimberley-Prozess in Kraft. Er soll die Herkunft eines Diamanten dokumentieren und sicherstellen, dass er nicht aus Konfliktgebieten stammt. Amnesty International  aber kritisiert das Prozedere als unzureichend, weil lückenhaft kontrolliert werde, weder Kinderarbeit noch die Ausbeutung von Arbeitskräften wirksam verhindere und Umweltaspekte nicht berücksichtigte.

Auch heute werden Kriege mutmaßlich noch mit Diamanten finanziert. Der russische Diamantenförderer Alrosa soll eine wichtige Einnahmequelle für den russischen Angriffskrieg sein. Dessen Einfuhren nach Europa wurden erst Anfang 2024 gestoppt , zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Allerdings sind auch Labordiamanten nicht per se das moralisch einwandfreie Schmuckstück. »Synthetische Diamanten entstehen nicht ohne Umweltbelastung. Sie benötigen viel Strom, oft aus fossilen Quellen, sowie Kohlenstoff, etwa aus Methan«, sagt der Schweizer Fachmann Cartier. Es sei ein Trugschluss, jeden Labordiamanten als grün und fair zu bezeichnen. Hier komme es sehr auf die einzelnen Produzenten an.

So bleibt bei Labordiamanten wohl der Preis das entscheidende Kaufargument. Die synthetischen Exemplare hätten den Markt auf eine Art demokratisiert, sagt Diamantenhistorikerin Molesworth. Sie geht aber nicht davon aus, dass die Laborware in den gehobenen Luxussektor vordringt. Dort werde man wohl zukünftig noch mehr auf die großen und farbigen, wirklich raren natürlichen Steine setzen.

»Der Diamant ist und bleibt ein emotionales Produkt«, sagt der Münchner Juwelier Zöttl. Labordiamanten passen nur bedingt in dieses Bild. »Die Leute wollen das besonders rare Einzelstück«, beschreibt Diamantenexperte Cartier die Luxuslogik: »Es ist Psychologie: Wollen Sie einen echten Picasso zu Hause oder eine Kopie?«

Mariah Carey geschmückt mit Diamantschmuck bei den Video Music Awards im September

Foto: Arturo Holmes / MTV / Getty Images

Eine der größten Diamantminen weltweit liegt in Ostrussland. Betrieben wird sie von Alrosa

Foto: Scott Peterson / Getty Images

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