So schlecht steht es um die deutsche Autoindustrie
Die große Krisenbilanz zum Ende des dritten Quartals versuchte Oliver Blume noch mit einer kleinen Erfolgsmeldung aufzuhübschen. Trotz der Probleme mit der Chipversorgung seien auch in der kommenden Woche keine Produktionsstopps zu befürchten, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Volkswagenkonzerns.
Nach heutigem Stand sei die Produktion an allen deutschen Standorten abgesichert. Das gelte auch für die Töchter Audi, Porsche und VW Nutzfahrzeuge, ergänzte ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage. Wie es danach weitergehe, sei aber noch nicht abzuschätzen.
Die einst so stolzen Bosse der Autoindustrie sind, so scheint es, bescheiden geworden. Wenn schon die Absicherung einer Produktionswoche wie eine Erfolgsmeldung daherkommt. Tatsächlich treten in den Bilanzen dieser Tage Probleme in einer Größenordnung zutage, die die Branche schon lange nicht mehr erlebt hat. Zölle, Absatzflaute, Stellenabbau und teure Sparprogramme kosten inzwischen auch die als krisenfest wahrgenommenen Premiumhersteller massiv Umsatz und Gewinn.
Hinzu kommen massenhafte Probleme durch den Wandel zur Elektromobilität. Und die EU-Klimaschutzvorgaben machen die Sache nicht einfacher. Die Branche wirbt in Deutschland für neue Kaufanreize für Elektroautos und generell für einen flexibleren Übergang zum emissionsfreien Antrieb.
Trotz Blumes Entwarnung für die kommende Woche bereiten die Lieferprobleme des Chipherstellers Nexperia Sorgen (mehr dazu lesen Sie hier ). Mercedes-Chef Ola Källenius verweist auf die Politik und die diplomatischen Verstimmungen zwischen China, den USA und Europa. Mercedes-Benz sei kurzfristig noch versorgt mit Halbleitern, man sei aber weltweit auf der Suche nach alternativen Lieferanten. Aber auch Källenius wagt nicht vorauszusagen, wie das Ganze ausgeht.
Doch jenseits der Probleme, die die gesamte Branche betreffen, kämpft jeder Konzern auch mit eigenen Dämonen:
Volkswagen: Sorgenkind Porsche
Das Debakel beim Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche hat der Muttergesellschaft Volkswagen einen Milliardenverlust eingebrockt. Der Wolfsburger Konzern, zu dem auch die Marken Volkswagen, Audi, Seat/Cupra sowie der Nutzfahrzeugbauer Traton gehören, ist im abgelaufenen Quartal tief in die roten Zahlen gerutscht. Mit 1,3 Milliarden Euro fiel der operative Verlust zwar geringer aus als erwartet. Trotzdem musste der Volkswagenkonzern zum dritten Mal in diesem Jahr seine Prognose für das Gesamtjahr senken und rechnet nun nur noch mit einer Gewinnmarge von zwei bis drei Prozent.
Nach Angaben von Volkswagen-Finanzchef Arno Antlitz kosteten allein die höheren Zölle von US-Präsident Donald Trump und die daraus resultierenden negativen Volumeneffekte im Gesamtjahr bis zu fünf Milliarden Euro – und diese Belastungen wirkten fort. Porsche und Audi sind besonders stark betroffen, weil sie über keine eigene Fertigung in den USA verfügen und deswegen vollständig auf Importe aus Mexiko und Europa angewiesen sind.
Porsche hatte Mitte September einen kostspieligen Strategieschwenk angekündigt und damit auf die hartnäckige Krise in China, die schwache Nachfrage nach Elektroautos und die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump reagiert. Der scheidende Porsche-Chef Oliver Blume sieht den Sportwagenbauer nach der Neuausrichtung für die Zukunft gut aufgestellt. Es gebe erhebliche Investitionen in komplett flexible Antriebe: Verbrenner, Hybrid und Elektro. Blume räumte allerdings ein, dass sich Porsche in einer »massiven Krise« befindet.
Als Stütze des Konzerns dient aktuell die Markengruppe Core, die für die Volumenmodelle verantwortlich zeichnet. Neben der Kernmarke Volkswagen gehören dazu Skoda und Seat/Cupra.
Mercedes hofft auf CLA und GLC
Auch bei Mercedes-Benz läuft es gerade alles andere als rund. Diese Woche verkündete der Konzern miese Zahlen: Der Gewinn ging in den ersten neun Monaten um 50,3 Prozent auf 3,87 Milliarden Euro zurück. Vor allem das dritte Quartal lief schlecht. Als Gründe führte Mercedes-Benz unter anderem die Zölle, geringere Absatzzahlen und Aufwendungen für Sparmaßnahmen an.
Um die Profitabilität wieder zu steigern, hatte der Vorstand bei Mercedes bereits im Februar ein Sparprogramm angekündigt: Die Produktionskosten sollen bis 2027 um zehn Prozent sinken, ebenso die Fixkosten. Auch die Materialkosten sollen verbessert werden. Mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Mercedes ein Paket mit Abfindungsprogramm für Beschäftigte in indirekten Bereichen.
Außerdem leidet Mercedes bereits länger unter der Kaufzurückhaltung von wohlhabenden Chinesen, bei denen das Geld in der Immobilienkrise im Land nicht mehr so locker sitzt. Vorstandschef Ola Källenius sprach von einer »unglaublichen Wettbewerbsintensität«. Kritiker halten Källenius vor, seine Strategie, Mercedes vorrangig als Luxusmarke zu präsentieren, sei gescheitert.
Källenius gibt sich mit Verweis auf die kommenden Modelle trotzdem optimistisch. Der neue CLA und der vollelektrische GLC gelten als Hoffnungsträger. Källenius verwies darauf, dass bis einschließlich 2027 noch etliche Neuerscheinungen folgen.
BMW warnt vor schwächeren Zahlen
Der Münchner BMW-Konzern, der erst in der kommenden Woche seine Quartalszahlen vorlegt, hatte bereits Anfang Oktober gewarnt, die Ergebnisse im Jahr 2025 würden schwächer ausfallen als bislang erwartet. Der Vorsteuergewinn werde leicht zurückgehen, Grund ist auch hier primär das schwache Chinageschäft. Das Münchner Unternehmen hat dort in den ersten neun Monaten rund elf Prozent weniger abgesetzt als im vergangenen Jahr.
Insgesamt hat sich BMW allerdings in den vergangenen Jahren besser gehalten als VW und Mercedes, einen größeren Stellenabbau gab es bei dem Konzern nicht.
Wie bei Mercedes blicken Analysten und Anleger aber auch bei BMW vor allem darauf, wie sich die neuen Modelle verkaufen. Vom kommenden Jahr an vertreiben die Münchner ihre »Neue Klasse«, eine runderneuerte Modellpalette (mehr dazu lesen Sie hier ).
Die Zulieferer leiden
Besonders sichtbar wurden zuletzt die Probleme der Branche bei den Autozulieferern. Sie leiden zum einen stark unter dem verzögerten Wandel zur Elektromobilität, zum anderen geben Hersteller wie VW den Kostendruck, der unter anderem durch höhere Zölle für Ausfuhren in die USA entsteht, an ihre Lieferanten weiter.
Es gebe auf der einen Seite Zulieferer, die noch nicht auf neue, für die E-Mobilität gefragte Produkte umgestellt hätten, deswegen nicht als zukunftsfähig gelten und deswegen keine Kredite mehr von Banken bekämen, fasste Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, das Dilemma kürzlich zusammen. Zulieferer, die früh auf Elektroautos gesetzt hätten, würden von den Banken jedoch ebenfalls gemieden, weil die versprochenen Umsätze wegen des unerwartet langsamen Nachfrageanstiegs nach Elektroautos ausblieben.
Selbst Branchengrößen, die eine Vielzahl von Komponenten liefern, ringen um Profitabilität und bauen deshalb drastisch Stellen ab. Bosch will bis 2030 rund 22.000 Arbeitsplätze streichen. ZF, die Nummer drei in Deutschland, kündigte den Abbau von etwa 14.000 Stellen bis 2028 an. Tausende Jobs sollen auch beim fränkischen Auto- und Industriezulieferer Schaeffler wegfallen.
Während diese großen Systemlieferanten Schwächen in einigen Bereichen teils durch gute Verkäufe in anderen Sparten ausgleichen können und teils auch im weltweit wichtigsten Automarkt China gute Geschäfte machen, trifft es kleinere und mittlere Zulieferer oft noch härter. Bis zur Jahresmitte stiegen die Insolvenzen in der Branche auf den höchsten Stand seit 2018.
Strukturell werden für Elektroautos weniger Teile gebraucht als für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, das setzt den Zulieferern zu. Außerdem wird der Markt für wichtige E-Auto-Komponenten wie Batteriezellen von chinesischen Anbietern beherrscht.
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