Wo Pernille ist, ist auch ein Weg
Einerseits Harder, andererseits Hadern: Bayern gegen Wolfsburg, das ist stets ein Tauziehen um die Vormachtstellung im deutschen Fußball der Frauen. Noch sind die Wölfinnen historisch die erfolgreichste Mannschaft der eingleisigen Bundesliga, doch drei der letzten vier Meistertitel gingen an die Isar. Nun könnte der vierte folgen – so, wie zuletzt bereits einige Ex-Wolfsburgerinnen dem Ruf der Bayern gefolgt waren: Lena Oberdorf, derzeit nach Kreuzbandriss in der Reha, war innerhalb der Liga gewechselt. Und Pernille Harder, zwischen 2017 und 2020 der Star in einem VfL-Sturm mit Titelabo, spielt nach einer Stippvisite beim FC Chelsea seit 2023 in München. Gegen die alten Kolleginnen traf die Dänin doppelt, gleich zweimal wurde sie am langen Pfosten allein gelassen (13. Minute/47.). Es war ein Sinnbild: Die große Vergangenheit Wolfsburgs ist die große Gegenwart des FC Bayern.
Das Ergebnis: 3:1 (1:0) setzten sich die Fußballerinnen des FC Bayern München gegen Erzrivale VfL Wolfsburg durch. In der Ligatabelle liegen nun bereits sechs Punkte zwischen den Münchnerinnen und den Rivalinnen aus der Autostadt. Größter Titelkonkurrent des FCB ist nun Eintracht Frankfurt, das mit einem Sieg am Montag beim SC Freiburg bis auf drei Punkte an die Spitze heranspringen kann.
Nachmittags, 16.55 Uhr in Deutschland: Free-TV ja, Primetime nein: Zwar übertrug das ZDF das Spitzenspiel, die Anstoßzeit am späten Nachmittag aber sorgte für Irritationen. »Eines Topspiels nicht wirklich würdig« nannte VfL-Trainer Tommy Stroot die Ansetzung, in der Bayern-Kurve teilten Fans mit Plakaten ihren Unmut mit. Dabei hatte die ungewohnte Terminierung – für gewöhnlich werden die Topspiele um 18.30 Uhr angepfiffen – dem DFB zufolge auch mit den Wünschen der beiden Teams zu tun: Kommende Woche stehen die Viertelfinal-Hinspiele in der Champions League an. Beide deutsche Topklubs sind noch vertreten und sollen gut erholt in die Europapokal-Woche gehen.
Auf die Plätze, fertig, Schmerz: Das Topspiel ging blutig los. Bayerns Glódís Viggósdóttir rauschte nach Freistoß von Svenja Huth mit ihrer Torhüterin Ena Mahmutovic zusammen und musste wegen einer Platzwunde behandelt werden. Das Spiel ging weiter für Viggósdóttir, auf die Knochen aber gab es weiterhin: Die erste Hälfte war von Zweikämpfen und Nickeligkeiten geprägt. Jenseits des ersten Harder-Treffers hatte Jule Brand die beste Torgelegenheit, doch ihren Flachschuss nach Vorarbeit von Alexandra Popp wehrte Mahmutovic mit dem Fuß ab (31.).
Abschiedstournee: Für Brand könnte es auf absehbare Zeit das letzte Spiel gegen die Bayern in der Bundesliga gewesen sein: Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass es für die 22-Jährige kommende Spielzeit bei Olympique Lyon weitergehen wird. Brands Vertrag in Wolfsburg läuft aus, sie wechselt ablösefrei. Immerhin nicht zum FC Bayern, mag man beim VfL denken. Ex-Kollegin Oberdorf, Halbzeitgast im ZDF, fand es schade: »Ich wäre schon ein bisschen traurig, wenn es wirklich ins Ausland geht. Die Bundesliga verliert eine klasse Spielerin mit vielen Wow-Momenten.«
Wettlauf mit der Zeit: Im DFB-Team dürfen Oberdorf und Brand natürlich weiter gemeinsam spielen. Auch bei der Europameisterschaft im Juli? »Man kann mich schwer einladen, wenn ich kein Spiel gemacht habe«, wiegelte Oberdorf ab. Der Traum von der EM in der Schweiz, er lebt aber: Oberdorfs Reha-Zeitplan sieht vor, in zwei bis drei Wochen wieder zum Teamtraining dazuzustoßen und die Belastung langsam zu steigern. Das könnte reichen, um noch vor dem Sommer ein paar Spiele zu machen.
Better, faster, stronger: In Hälfte zwei machten die Bayern dann kurzen Prozess mit dem VfL, Harder nutzte eine Wolfsburger Tiefschlafphase kurz nach Wiederanpfiff, um nach einer Flanke von rechts ungestört ins Zentrum zu spazieren und dort frei stehend ihren Doppelpack zu schnüren (47.). Deklassiert wurden die Wölfinnen zwar nicht, aber wo die Gastgeberinnen Effizienz bewiesen, traf Lena Lattwein nur die Latte (49.). Als Bayern-Trainer Alexander Straus dann auch noch Nationalstürmerin Lea Schüller einwechselte und die per Kopf nach ihrem ersten Ballkontakt traf, war das Spiel gelaufen (69.), die Vorlage hatte wiederum Harder gegeben. Da tat es dann auch nichts mehr zur Sache, dass die Ex-Münchnerin Lineth Beerensteyn noch ein paar Haken schlug und nach einem zielstrebigen Solo verkürzte (75.): Mit dem Sieg hatte der VfL nichts mehr zu tun. Mit der Vergabe des Meistertitels in dieser Saison wohl auch nicht.
Mit einem blauen Auge davongekommen: Glódís Viggósdóttir
Foto: ActionPictures / IMAGOJule Brand zählt zu den unberechenbarsten Dribblerinnen der Welt
Foto: Hendrik Hamelau / HMB-Media / IMAGO