Der Papstklub und die Korruption
Es konnte am Ende dieser vermaledeiten Woche vermutlich nicht anders kommen. In der letzten Minute des Spiels gegen Rosario Central kassierte San Lorenzo das 0:1. Gästestürmer Enzo Copetti kannte an diesem Nachmittag wenig Pietät und versetzte dem gegnerischen Team den Knock-out. So endet jene Woche für die Fans von San Lorenzo in einem Meer von Trauer, Wut und Frust.
Der Herzensklub von Papst Franziskus musste den Tod seines prominentesten Fans und Vereinsmitglieds verkraften. Er fiel genau in eine Zeit, in der der Klub aus Buenos Aires von einer Korruptionsaffäre um seinen Präsidenten Marcello Moretti erschüttert wird. Die Heimniederlage in der Nachspielzeit setzte all dem nur noch die Krone auf.
Heimlich gefilmtes Video
Im Stadion hatten die Anhänger zuvor mit einem riesigen Transparent des Papstes gedacht. Die Spieler liefen mit dem Konterfei von Franziskus auf dem Trikot auf. »Gemeinsam bis in die Ewigkeit – Papst Franziskus«, war auf dem Aufnäher zu lesen. Auf dem Klubgelände steht eine Kapelle, die rund um das Spiel geöffnet blieb. Das hatte Klubpräsident Moretti noch veranlasst.
Kurz danach konnte er nicht mehr viel veranlassen. Der Vereinsboss gab über Social Media bekannt, dass er sein Amt vorerst ruhen lasse. Der so eng dem Papst verbundene Präsident, der Franziskus im Vorjahr in Rom noch aufgesucht hatte, scheint sich als Sünder entpuppt zu haben. Ein heimlich gefilmtes Video von 2024 war viral gegangen, das Moretti bei einer Unterhaltung mit der Mutter eines Talents zeigte. Der Spieler hoffte auf einen Profivertrag bei San Lorenzo.
Im Laufe des Gesprächs schob die Frau dem Präsidenten ein Bündel Geldscheine über den Tisch, Moretti steckte alles routiniert in die Innentasche seines Sakkos, als sei es das Normalste der Welt. Es sollen 25.000 Dollar gewesen sein, berichten argentinische Medien.
War es nur eine Spende?
Der Präsident weist alle Vorwürfe zurück. Es habe sich um eine handelsübliche Spende gehandelt, nicht um Bestechung. Er beteuerte: »Ich habe jahrelang Geld aus meiner eigenen Tasche in den Verein gesteckt. Ich habe dem Verein Geld geliehen, das ich nie gesammelt habe. San Lorenzo ist mein Leben.«
Auch die Frau sagt, sie habe dem Verein nur etwas Gutes tun wollen, ihr sei aufgefallen, dass der Rasen im Stadion in keinem guten Zustand gewesen sei, und sie habe mit einer Spende beitragen wollen, das zu ändern.
Die Fans hingegen sind in Aufruhr, noch während des Gedenkens an den verstorbenen Franziskus gab es Protestaktionen gegen Moretti, der daraufhin seinen vorläufigen Rückzug verkündete. Der Druck war zu groß geworden, selbst der zweite Edelfan des Klubs, der Hollywoodschauspieler Viggo Mortensen, hatte Moretti zum Rücktritt aufgefordert. Und wenn Aragorn aus dem Herrn der Ringe etwas verlangt, tut man wohl besser daran, dem nachzukommen.
Stadion wird nach Franziskus benannt
Dabei hatte der Präsident noch im Vorjahr stolz den Bau eines neuen Stadions verkündet: Es soll den Namen des Papstes tragen. Die Erlaubnis dazu habe er sich im Vorjahr bei einer Audienz in Rom von Franziskus persönlich eingeholt. Der Papst selbst ist nach seiner Wahl nie wieder in Argentinien gewesen, aus seiner Leidenschaft für Fußball im Allgemeinen und für San Lorenzo im Besonderen hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche aber nie einen Hehl gemacht.
Der »Club Atlético San Lorenzo de Almagro«, um seinen vollständigen Namen zu zitieren, und die Kirche – das ist eine alte Verbindung, die bis zu seiner Gründung zurückreicht. 1908 hob der Salesianerpater Lorenzo Massa den Klub aus der Taufe, bis heute werden sie »die Raben« genannt, und das bezieht sich nicht auf den Vogel, sondern eher auf die schwarze Soutane des Gründer-Paters.
Das Team rückte bald zu den besten Mannschaften in Argentinien auf, bis heute gehört San Lorenzo aus dem Stadtteil Almagro zu den großen Fünf der Hauptstadt neben River Plate, den Boca Juniors, CA Independiente und dem Racing Club. Zwölfmal wurde das Team Meister, zum ersten Mal 1933, zum letzten Mal 2013 – in dem Jahr, in dem Jorge Bergoglio zum Papst Franziskus gewählt wurde. Legendär im Lande ist die Mannschaft von 1968, die den Meistertitel ohne eine einzige Niederlage in der Saison errang.
Zabaleta, Correa, Bernardo Romeo
Bei San Lorenzo spielten Stars wie Pablo Zabaleta erfolgreich über Jahre bei Manchester City, der heutige Atletico-Profi und aktuelle Weltmeister Ángel Correa, Paraguays Torwart-Denkmal José Luis Chilavert oder der ehemalige HSV-Stürmer Bernardo Romeo, der später auch Manager des Klubs war.
Der Papst selbst hat sich in seiner Jugend eher mäßig erfolgreich als Torwart versucht, umso inbrünstiger war sein Fantum zu San Lorenzo ausgeprägt. Als Pfarrer segnete er die Spieler in der Kabine, die »Süddeutsche Zeitung« hat die Anekdote ausgegraben, dass der spätere Nationaltrainer Alfio Basile den Seelsorger mal aus der Kabine geworfen habe, weil er sich durch ihn gestört fühlte.
Da konnte Basile aber nicht ahnen, was aus diesem Pfarrer, den er des Platzes verwies, mal werden würde. Dessen Karriere war am Ende steiler als die von Basile, der zwar zweimal die Copa América mit Argentinien gewann, aber ein Papst ist dann in der Hierarchie doch noch höher angesiedelt.
Franziskus, und auch das gehört zur Legendenbildung hinzu, ist das Klubmitglied mit der Nummer 88235. Er starb im Alter von 88 Jahren um 2.35 Uhr argentinischer Zeit. Zum Fußball und zur Religion gehört der Glaube dazu. Manchmal ist es auch der Aberglaube.
San-Lorenzo-Fans in der Kapelle auf dem Klubgelände
Foto: EPAPapstgedenken im Stadion
Foto: Daniel Jayo / Getty ImagesSan-Lorenzo-Spieler vor der Partie gegen Rosario
Foto: EPAMitgliedsnummer 88235
Foto: REUTERS/ Club Atletico San Lorenzo de AlmagroSan-Lorenzo-Profi Elias Irala mit Sondertrikot
Foto: Gustavo Garello / AP