Putin bekommt, was er schon immer wollte
Seit den Zeiten des Normandie-Formats will Putin eigentlich nur mit den USA über die Ukraine verhandeln. Das hat er erreicht. Einem Ende der russischen Sommeroffensive dürfte er kaum zustimmen. Wahrscheinlich hat er einen anderen, für Kiew gefährlichen Plan.
Zumindest sein vorläufiges Ziel hat der russische Machthaber Wladimir Putin erreicht. Schon seit Beginn des Konflikts mit der Ukraine vor elf Jahren hat Moskau keine Möglichkeit verpasst, um zu betonen, dass es über die Zukunft des Nachbarlandes lieber mit Washington spricht - nicht mit Kiew, auch nicht mit Deutschland und Frankreich, den Ländern des sogenannten Normandie-Formats, mit dem der ursprüngliche Donbass-Krieg beigelegt werden sollte.
Nach Moskauer Lesart sitzen die wirklichen Entscheidungsträger in den USA. Die ukrainische Regierung sieht der Kreml nur als "Marionetten" an.
Dabei ist die aktuelle US-Administration von Präsident Donald Trump kaum noch als Verbündeter der Ukraine zu sehen, auch wenn sie weiterhin Waffen an Kiew verkauft - noch. Putin ist angekommen, wo er ursprünglich hinwollte: Beim Treffen am Freitag in Alaska verhandeln die USA und Russland ohne die Ukraine über die Ukraine. Trump wird Putin mit einer großen Delegation auf US-amerikanischem Boden empfangen.
Russische Sommeroffensive auf einem Höhepunkt
Allein die Tatsache, dass Trump seit Beginn des Jahres mehrfach mit Putin telefonierte, war aus ukrainischer Sicht eigentlich ein Skandal. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte direkte Kontakte zum Kreml ja nicht einfach so abgebrochen, sondern weil Russland die Ukraine am 24. Februar 2022 brutal überfallen hat, obwohl es klare Vorwarnungen aus Washington gegeben hat.
An dieser Ausgangslage hat sich auch im August 2025 nichts verändert. Russland mag zwar die Ukraine in den letzten Tagen im Vergleich zu letzten Wochen und Monaten weniger stark aus der Luft angegriffen haben - wohl, um Trumps Stimmung vor den Verhandlungen nicht zu verschlechtern, der zuvor emotional auf solche Angriffe gegen ukrainische Großstädte reagiert hatte. Aber der Krieg geht tagtäglich weiter. Nicht nur das, er wird immer heftiger. Die russische Sommeroffensive ist auf einem Höhepunkt. Russland schafft es zwar weiterhin nicht, die gesamte Region Donezk zu besetzen, erzielt dort aber durchaus Erfolge bei strategisch wichtigsten Kleinstädten wie Dobropillja und Pokrowsk.
Vor diesem Hintergrund blickt man aus der Ukraine einigermaßen ratlos auf den Gipfel von Alaska. Noch vor wenigen Wochen hatte Trump verkündet, er werde die Sanktionen gegen Russland verschärfen, wäre Moskau nicht zu einem Waffenstillstand bereit. Die Ukraine ihrerseits hat einer bedingungslosen Waffenruhe längst zugestimmt. Umfragen zufolge unterstützen dies auch mehr als zwei Drittel der ukrainischen Bevölkerung - jedoch nicht zu jedem Preis.
Auch gäbe es durchaus Aspekte, die mit Kiew zu besprechen wären. So ist zwar in der ukrainischen Verfassung verankert, dass das Land die Integration in die EU und in die Nato anstrebt. Weil eine realistische Nato-Perspektive für die Ukraine aber derzeit ohnehin nicht besteht, wäre der Verzicht darauf zumindest vorstellbar.
Aufgabe von Kramatorsk und Slowjansk wäre Selbstmord für die Ukraine
Was genau Putin Trumps Sonderbeauftragtem Steve Witkoff neulich bei dessen Besuch in Russland angeboten hat, bleibt unterdessen unklar. Medienberichten zufolge herrscht Unklarheit darüber, ob Witkoff die russischen Vorschläge überhaupt richtig verstanden hat. Bei aller Gerede über einen angeblichen "territorialen Austausch" sieht es danach aus, als würde Moskau darauf bestehen, dass die ukrainischen Streitkräfte den nichtbesetzten Rest der Region Donezk räumen müssten, damit es zu einem Waffenstillstand an der sonstigen Front kommen kann. Das mag nach weniger klingen als bei früheren diplomatischen "Vorstößen" Moskaus, welches stets den vollen Rückzug der Ukraine aus den Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja gefordert hat. Für die Ukraine bleibt es genauso inakzeptabel.
Zum einen, weil es aus ukrainischer Sicht keinen Sinn macht, größere Städte wie Kramatorsk und Slowjansk zu verlassen, die trotz einiger Erfolge der russischen Armee noch sicher in ukrainischer Hand sind. Vor allem geht es hier aber um die militärische Perspektive. Bei diesen Städten handelt es sich faktisch um Festungen, um die seit 2014 starke Verteidigungslinien aufgebaut wurden. Weiter im Hinterland gibt es derart massive Verteidigungseinrichtungen nicht. Sollte die Ukraine diese Städte freiwillig verlassen, wäre das nicht nur ein massiver und müheloser Erfolg Russlands. Es wäre auch eine Einladung zu einer neuen Invasion, und zwar so schnell wie möglich, bevor die Ukrainer sich ausreichend vorbereitet haben.
Für Putin ist schon das Treffen ein Erfolg
Dass Selenskyj eine solche Option in seiner Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch klar ablehnte, ist daher nicht verwunderlich. Militärisch gesehen wäre das Selbstmord - ähnlich wie die rechtliche Anerkennung der eroberten Gebiete als russisch. Jedoch räumte Selenskyj ein, dass während der Videokonferenz mit Trump auch über territoriale Fragen gesprochen wurde, die aus ukrainischer Sicht jedoch mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine verknüpft werden müssen.
Laut Selenskyj stimmt der US-Präsident der Notwendigkeit von Garantien für Kiew zu. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass sich die USA daran beteiligen - und ob europäische Länder der Ukraine solche Zusagen machen können, die Russland vor einem neuen Angriff abschrecken würden, ist ebenfalls höchst fraglich.
Ob es beim Trump-Putin-Gipfel tatsächlich eine Einigung erzielt werden kann, ist daher vollkommen unklar, auch wenn die Ankündigung einer gemeinsamen Pressekonferenz normalerweise darauf hindeuten würde, dass es abgestimmte Entscheidungen zu verkünden gibt. Dem US-Präsidenten geht es schlicht darum, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zu erreichen.
Putin, der seine Sommeroffensive sicher nur ungern unterbrechen würde, geht es wahrscheinlich um etwas anderes: Mit einem weniger frechen, aber immer noch inakzeptablen Angebot als sonst die Ukraine als verhandlungsunfähig darzustellen. Es gibt keine Garantie, dass Putin dies nicht gelingt - und gerade hier liegt die größte Gefahr für die Ukraine, von der man sich in Kiew fürchtet. Der Kremlchef kann sich dabei ruhig zurücklehnen: Er hat allein dadurch schon gewonnen, dass das Treffen in Alaska stattfindet.