Russische Wahlbeobachter "zum Schweigen" gebracht

Das war's also: Russland verurteilt einen Mitarbeiter der unabhängigen Wahlbeobachterorganisation Golos, die massenhaft Wahlfälschungen aufgedeckt hat. Dies hat nun weitreichende Folgen, und Golos konstatiert: "Gerechtigkeit siegt leider nicht immer."

Die unabhängige russische Wahlbeobachterorganisation Golos hat nach Druck durch ein Gerichtsurteil gegen ihren Co-Vorsitzenden ihre Arbeit eingestellt. "Das ist das Ende einer Geschichte, die den Ermittlungen und dem Gericht zufolge 25 Jahre angehalten hat", teilte die Organisation mit. Der international bekannte Wahlrechtsexperte Grigori Melkonjanz war im Mai zu fünf Jahren Haft im Straflager verurteilt worden. Das Gericht befand ihn des Aufbaus einer unerwünschten Organisation für schuldig. Ziel der Verurteilung war laut den Wahlbeobachtern gewesen: "Golos zum Schweigen zu bringen."

Vorgeworfen wurde Melkonjanz die Mitarbeit beim europäischen Wahlbeobachter-Netzwerk European Network of Election Monitoring Organizations (Enemo). Enemo steht auf der Verbotsliste in Russland. Golos, was auf Deutsch "Stimme" heißt, war das renommierteste Institut für die Beobachtung von Wahlen in Russland und hat zahlreiche Verstöße aufgedeckt und dokumentiert.

In dem der Verteidigung zugestellten Urteil stelle das Gericht Golos praktisch der Organisation Enemo gleich, teilte Golos mit. Die Gerichtsentscheidung lasse daher keine Wahl, da sie nicht nur alle Mitglieder von Golos, sondern auch die Menschen, die nur Beratung und rechtliche Hilfe in Anspruch nahmen, der Gefahr von Strafverfolgung aussetze. Die Verfolgung von Golos sei "eine weitere Maßnahme, die darauf abzielt, die verfassungsmäßigen Grundlagen des Landes zu untergraben", heißt es.

Golos habe den Sieg dieser oder jener Partei nie als seine Aufgabe betrachtet, hieß es weiter in der Mitteilung. "Denn Wahlbeobachtung ist keine politische Tätigkeit, sondern eine Art des Schutzes der verfassungsmäßigen Ordnung Russlands und ein vom Staat garantiertes Bürgerrecht." Im Zusammenhang mit dem Gerichtsurteil gegen Melkonjanz sei diese Arbeit nun nicht mehr möglich.

Personen, die sich in Russland aufhalten oder eine Reise dorthin planen, empfiehlt Golos, keine Beiträge von den Websites oder aus den sozialen Netzwerken der Organisation zu teilen. "Sollten solche Beiträge bereits geteilt worden sein, empfehlen wir, diese zu löschen, damit die Strafverfolgungsbehörden keinen Grund haben, Sie für die Verbreitung haftbar zu machen", heißt es. Und weiter: "Gerechtigkeit siegt leider nicht immer – man muss dafür kämpfen. Und es besteht immer das Risiko, zu verlieren. Dieses Mal ist es so gekommen. Auf Wiedersehen."

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