Chinas Verblendung
1. Zwischenfall über dem Roten Meer
Als Bundeskanzler Friedrich Merz kürzlich sagte, Deutschland werde in gewisser Weise bereits jetzt von Russland angegriffen, nahmen das Teile der Bevölkerung eher achselzuckend zur Kenntnis. Mit »Angriff« verbindet man eine direkte militärische Auseinandersetzung. Vielleicht hat die Aussage im Hinblick auf das deutsch-russische Verhältnis viele auch kaum überrascht.
Doch was ist mit China? Vor der Küste Jemens wurde ein Flugzeug der Bundeswehr bei einem EU-Einsatz offenbar Opfer eines chinesischen Laserangriffs. Auch wenn der Vorgang nicht mit Russlands hybridem Krieg vergleichbar ist, reagiert das Auswärtige Amts alarmiert. Demnach hat China ein deutsches Aufklärungsflugzeug mit einem Laser gestört, ohne die sonst übliche vorherige Warnung via Funk. »Die Gefährdung von deutschem Personal (und) Störung des Einsatzes sind vollkommen inakzeptabel«, erklärte das Auswärtige Amt auf der Plattform X. Der chinesische Botschafter sei wegen des Vorfalls einbestellt worden (hier mehr dazu).
Die Bundeswehr ist am Roten Meer im Einsatz, um die zivile Schifffahrt vor Angriffen der Huthi-Milizen im Jemen schützen. Erst heute wieder haben die Huthis den Frachter »Eternity C« attackiert, der habe »schwere Schäden erlitten und seine komplette Antriebskraft verloren«, so die britische Behörde für maritime Sicherheit (UKMTO).
Der Laserangriff auf das deutsche Flugzeug wurde jetzt erst bekannt, er ereignete sich aber bereits am 2. Juli – einen Tag vor dem Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Deutschland. »Die Eskalation ist ungewöhnlich«, schreiben meine Kollegen zu dem Fall. Allerdings seien laut Experten Laserangriffe durch Chinas Militär keine Seltenheit. Die chinesische Regierung hat sich zu dem Vorfall bislang nicht geäußert. Beim Besuch von Wang Yi war der Vorfall offiziell kein Thema, mit der Einbestellung des Botschafters griff die Bundesregierung nun zu einem relativ drastischen Mittel.
Lesen Sie hier mehr: Was über Chinas Laserangriff bekannt ist
2. Wenn Rechtsstaat auf Regierung trifft
Als die neue Bundesregierung antrat, war eine der ersten Amtshandlungen, den Stopp des Aufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghanen umzusetzen.
»In dem Moment, wo die Regierung Merz steht, werden diese Flieger aus Afghanistan nicht mehr kommen, beziehungsweise sie werden aus Deutschland nach Afghanistan gehen«, so CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vor dem Start der Regierung.
Nun traf Wunsch auf Wirklichkeit. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied im Eilverfahren im Streit über das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen, dass einer Frau und ihren 13 Familienangehörigen, die in Pakistan auf Visa warten, die Einreise genehmigt werden muss (hier mehr).
Die Bundesregierung habe sich »durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmebescheide rechtlich zur Aufnahme gebunden«, erklärten die Richter zur Begründung. »Von dieser freiwillig eingegangenen Bindung« könne sich Deutschland nicht lösen. Im vorliegenden Fall könnten sich die Betroffenen auf die gemachten Zusagen berufen.
Das Verwaltungsgericht Berlin weist die Bundesregierung bereits zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit in die Schranken. Anfang Juni hatte das Gericht festgestellt, dass die Bundesregierung zur Durchführung des Dublin-Verfahrens verpflichtet ist. In drei Eilverfahren beanstandeten Asylsuchende, dass sie an der deutsch-polnischen Grenze zurückgewiesen wurden. Damals tat Innenminister Dobrindt (CSU) das als »Einzelfallentscheidung« ab. Es würde mich nicht wundern, wenn sich das Muster nun wiederholt.
Lesen Sie hier mehr: Bundesregierung muss Afghanen Visa erteilen
3. Musk ist mucksch
Elon Musk und Donald Trump führen seit Wochen eine öffentliche On-off-Fehde, die an eine turbulente Paarbeziehung erinnert. Einst verband sie eine Zweckgemeinschaft aus Geld und Macht, doch inzwischen ist daraus offene Feindschaft geworden. Nach einem kurzen, friedlichen Bruch Anfang Juni eskalierte der Streit erneut, als Musk Trumps Steuer- und Ausgabengesetz scharf kritisierte und als Reaktion die Gründung einer eigenen Partei, der »America Party« ankündigte. (Lesen Sie hier mehr dazu.)
Musk sieht sich als Gegengewicht im polarisierten US-Zweiparteiensystem und will die »80 Prozent in der Mitte« ansprechen. Doch Experten halten eine erfolgreiche Parteigründung für äußerst schwierig: Institutionelle Hürden und mangelnde Popularität erschweren das Vorhaben. Musks Vorbild ist Ross Perot, der als unabhängiger Kandidat 1992 beachtlichen Einfluss hatte, aber letztlich scheiterte.
Musk agiert womöglich weniger aus reinem Macht- oder Geldinteresse, sondern sucht Aufmerksamkeit und will mitreden. Seine politische Rolle verschafft ihm mehr Öffentlichkeit als seine unternehmerischen Erfolge. Trotz seiner Visionen fehlt ihm allerdings das Charisma eines klassischen »Menschenfängers«. Erfolg hätte er nur, wenn er den Amerikanern ein überzeugendes politisches Angebot macht – denn die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien ist groß.
Doch meine Kollegin Julia Amalia Heyer bleibt skeptisch: »So viele Stimmen, wie er braucht, um Geschichte zu schreiben – und damit Donald Trump wirklich eins auszuwischen«, so die US-Korrespondentin des SPIEGEL, »kann selbst Elon Musk nicht kaufen.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Aus Leidenschaft wird Hass
Was heute sonst noch wichtig ist
Verkehrsministerium befürwortet Neubau der ICE-Strecke Hannover–Hamburg – Eine neue Schienentrasse zwischen Hamburg und Hannover soll den Zugverkehr beschleunigen – nun favorisiert auch das Bundesverkehrsministerium den Bau. Das dürfte viele in der Region ärgern, darunter SPD-Chef Lars Klingbeil.
Daimler Truck will 5000 Stellen in Deutschland streichen – Bis 2030 will der Lkw-Hersteller Daimler Truck die Zahl seiner Angestellten in Deutschland signifikant reduzieren. Betroffen sind Jobs in Leinfelden-Echterdingen, die auch mittels Abfindungsprogrammen abgebaut werden sollen.
Salzgitter AG erhält Werkstoffzulassung für seltenen Sicherheitsstahl – Bei der Herstellung von Panzerstahl war die Bundeswehr zuletzt von ausländischen Unternehmen abhängig. Nun hat der deutsche Konzern Salzgitter eine Zulassung für den begehrten Werkstoff erworben.
Pro-Palästina-Aktivisten liefern sich Handgreiflichkeiten mit Gottesdienstbesuchern – In Langenau hat sich ein Pfarrer nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober solidarisch mit den israelischen Opfern gezeigt. Seither werden er und seine Familie von Pro-Palästina-Aktivisten diffamiert. Der Landesbischof kritisiert die Politik scharf.
Meine Lieblingsgeschichte diese Woche: Die Banalität des Blöden
26 Frauen und Männer stehen derzeit vor Gericht, neun in Stuttgart, neun in Frankfurt am Main, acht in München. Sie alle gehören der »Reichsbürger«-Szene an. Glaubt man der Anklage, wollten sie den Bundestag stürmen, die Regierung stürzen, die Minister liquidieren, »Köpfe rollen lassen«, wie einer sagte, bis in die Provinz: Bürgermeister, Richter, Gerichtsvollzieher. So brutal sie ihre Absichten ausformulierten, so töricht wirken die Gestalten vor Gericht. Meine Kollegin Maria-Luisa Kotsev und mein Kollege Jürgen Dahlkamp haben den 68. Prozesstag in Stuttgart-Stammheim protokolliert. Auch wenn der Anlass ein ernster war, ihr Text bietet angesichts der dargebotenen Spießigkeit nicht nur einmal Anlass, herzhaft zu lachen.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Prozess gegen »Reichsbürger«
Was heute weniger wichtig ist
Money-Movies: Sie hat zwei ihrer Marvel-Kollegen überholt und ist nun die umsatzstärkste Schauspielerin der Welt: Scarlett Johansson, 40, hat das vor allem Superhelden- und Dinofilmen zu verdanken. Die Filme, in denen sie mitgewirkt hat, haben an den Kinokassen 14,8 Milliarden Dollar (12,6 Milliarden Euro) eingespielt. Johanssons neuer »Jurassic World«-Film hat schon jetzt 318 Millionen Dollar eingespielt und dürfte auf dem besten Weg sein, eine Milliarde Dollar zu erreichen.
Mini-Hohl
Aus der Zeitschrift »Herz heute« der Deutschen Herzstiftung e.V.: »Mittlerweile kann die KI im EKG auch Erkrankungen der Herzklappen, die Menge des Blutfarbstoffs Hämoglobin, den Kaliumwert, das Geschlecht und viele andere Erkrankungen erkennen.«
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Könnten Sie – falls Sie in Hamburg leben – in den Nica Jazz Club gehen und den amerikanischen Pianisten Vijay Iyer mit seinem Trio anhören. Mein Kollege Tobias Rapp schrieb vor vier Jahren , Iyer sei »einer der großen Musiker seiner Generation«. Er löse »die Widersprüche der Welt in Schönheit auf – nicht mit kämpferischen Posen«. Für alle, die nicht in Hamburg leben, hier eine musikalische Kostprobe : Iyers Interpretation von Michael Jacksons »Human Nature«.
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten
Maschine vom Typ Beechcraft 350 (Symbolbild)
Foto: Markus Mainka / CHROMORANGE / picture allianceKabul im Juni 2025
Foto: Ebrahim Noroozi / picture alliance / APEx-Trump-Verehrer Musk (im Februar)
Foto:Nathan Howard / REUTERS
Oberlandesgericht Stuttgart am 21. Mai
Foto: Nico Kurth / DER SPIEGELEntdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Klaus Stuttmann
Vijay Iyer
Foto:Nina Westervelt / The New York Times / Redux / laif