Lars Man Standing
1. Lars macht mobil
Die SPD-Mitglieder haben dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Einerseits wie erwartet. Andererseits überraschend deutlich, mit 86,4 Prozent der Stimmen. (Hier mehr dazu.) Ein Triumph für den neuen starken Mann der Sozialdemokraten, für Lars Klingbeil. Der Partei- und Fraktionschef will jetzt Finanzminister und Vizekanzler werden, mit dem Segen der Parteiführung.
Neulich erzählte Klingbeil in einem Podcast , dass er sich als Schüler einst den Spitznamen Lars Vegas einhandelte, offenbar waren auch Lars Palmas und Lars Angeles im Gespräch. Bei uns lautete eine Schlagzeile neulich »House of Lars« (hier die ganze Geschichte ). Jeder Lars kennt die Witze, jedenfalls die Larse in meinem Freundeskreis. Die Begeisterung für diese Art von Humor scheint bei Nicht-Larsen allerdings ausgeprägter zu sein. Ein bisschen Lars muss sein.
Lars but not least: Für Klingbeil geht die Arbeit jetzt erst richtig los – und manches wird heikel. »Er muss eine Regierungsmannschaft zusammenstellen, die ausreichend Erfahrung und Schlagkraft hat, um neben der Union zu bestehen«, sagt meine Kollegin Sophie Garbe. »Sie muss aber ebenfalls jung und frisch genug sein, um den Generationenwechsel zu repräsentieren, den Klingbeil versprochen hat.« Hinzu kommt, dass auch der Partei- sowie der Fraktionsvorsitz offen sind. Und da ist die Diskussion um Saskia Esken, deren Name sich weniger für Witze eignet, die aber verlässlich Material liefert für Kabarettisten (hier mehr dazu ).
In der SPD rumore es, sagt Sophie. Das zeige sich auch an der niedrigen Beteiligung: Nur knapp die Hälfte der Genossinnen und Genossen gab ihre Stimme ab. »2013 und 2018 hatten jeweils über 75 Prozent der SPD-Mitglieder teilgenommen.« Man könne das als eine Form des stillen Protests interpretieren, heißt es aus der Partei. Viele seien unzufrieden, hätten die Koalition aber nicht sabotieren wollen. Bald wird klar, wer Klingbeil wirklich ist: der Lars Action Hero oder Lars Man Standing.
Lesen Sie hier mehr: Die drei Probleme des Lars Klingbeil
2. Error-Warnung
Trump, Trump, noch mal Trump: Würde man all die Berichte über die ersten 100 Tage seiner zweiten Präsidentschaft ausdrucken und zusammenknüllen, ließe sich wahrscheinlich eine Insel von der Größe Grönlands im Golf von Mexiko daraus formen. Aber ich will niemanden auf Ideen bringen.
Zumal die US-Regierung schon ohne solche Anregung eher, nun ja, explorativ vorgeht – wenig Trial, viel Error. Heute zeigen neue Wirtschaftszahlen: Die US-Konjunktur schrumpft unter Trump, die Entwicklung ist schlechter als erwartet (hier mehr).
Zunehmend geraten auch deutsche Firmen in den Strudel. »Jahrelang schmückten sie sich mit Kampagnen für Vielfalt, Gleichstellung, Frauenförderung«, berichtet ein Team um meinen Kollegen Stefan Schultz . Jetzt ziehe Trump auch hiesige Unternehmen in einen Kulturkampf. Seine Leute haben jahrzehntelange Bemühungen für Gleichheit und Gerechtigkeit in der Wirtschaft gerodet und betroffene Firmen massiv unter Druck gesetzt. »Die Unternehmen stecken dadurch in einem Dilemma«, schreiben die Kolleginnen und Kollegen. Werte verteidigen und dadurch Milliardenumsätze sowie Jobs riskieren? Und welchen Druck bekommen sie von der Gegenseite, wenn sie sich »Trumps Anti-Wokeness-Politik« beugen? Die Schlagzeile, die sich das Team ausgedacht hat, könnte treffender nicht sein: »Lost in Trans*lation«.
Hier die ganze Geschichte: Deutsche Firmen im Kulturkampf
3. Augen auf beim Kinderwunsch
Vorsicht, Schläfer! In Paderborn hat die Polizei einen 23-jährigen Einbrecher geschnappt, der erst mal ein Nickerchen machen wollte, nachdem er das Fenster eines Hauses eingeschlagen und das Schlafzimmer durchwühlt hatte, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Ein Zeuge hörte demnach verdächtige Geräusche im Erdgeschoss und rief die Polizei. Die fand den Mann am Tatort schlummernd im Bett.
Mit Müdigkeit kennen sich besonders Eltern aus, deren Kinder gerade erst zur Welt gekommen sind . »Wir sind jetzt auch nachts erreichbar«, lautet ein launiger Geburtskartenspruch. Klingt auch netter als »Wir sind seit der Geburt unseres Kindes so übermüdet, dass wir kaum noch geradeaus gucken können.« Insbesondere Mütter schlafen in den ersten Monaten nach der Geburt deutlich weniger als vorher – laut einer Studie aus dem Jahr 2019 rund eine Stunde, die Männer nur eine knappe Viertelstunde.
»Das Fiese an Nachtarbeit ist: Sie wird schnell übersehen, denn alle anderen schlafen ja«, sagt meine Kollegin Anna Behrend. »Wir möchten die Nachtschichten von Müttern und Vätern sichtbar machen.« Dafür suchen sie und meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Ressort Daten & Visualisierungen mehrere Paare, die in den nächsten Monaten ihr erstes Kind erwarten und bei denen möglichst beide Partner Fitnesstracker verwenden, die auch den Nachtschlaf messen. Falls das auf Sie zutrifft, freuen sich Anna und ihr Team über Ihre Mail. Wie das alles genau funktionieren soll, erklären Ihnen die Kolleginnen und Kollegen natürlich ausführlich, bevor es losgeht.
Schreiben Sie gern an babynaechte@.de
Was heute sonst noch wichtig ist
Ukraine erwartet Rohstoffdeal mit den USA in den nächsten 24 Stunden: Jetzt könnte es schnell gehen: Nach Angaben aus Kyjiw steht die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens mit Washington unmittelbar bevor, offenbar zu deutlich besseren Bedingungen für die Ukraine als zuletzt kolportiert.
Inflationsrate sinkt erneut leicht auf 2,1 Prozent: Im April sind die Preise erneut etwas weniger stark angestiegen als noch vor einem Jahr. Die Teuerungsrate sank vor allem dank billigerer Energie. Der Einkauf auf dem Markt bleibt dagegen teuer.
16-Jähriger nach tödlichen Schüssen in Schweden festgenommen: Schweden hat seit Jahren mit einem erschreckenden Ausmaß an Bandenkriminalität zu kämpfen. Nun wurden in Uppsala drei Menschen erschossen, auch diesmal ist der Tatverdächtige ein Jugendlicher.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen: »Wir hatten nur die Wahl zwischen Freiheit und Tod«
Gedemütigt, eingesperrt, ausgehungert: Mit dem Fall von Saigon vor 50 Jahren begann die Hatz auf Andersdenkende. My und Huan flüchteten – und fanden auf hoher See zueinander.
Hier erzählen sie erstmals ihre Geschichte.
Was heute weniger wichtig ist
Vatikan ruft Mutti an: Nach dem Konklave will Kardinal Rainer Maria Woelki, 68, sofort nach Hause telefonieren. »Na, ich glaube, ich werde als Erstes bei meiner Mutter anrufen, die mit 95 Jahren jetzt natürlich in Köln ist, und werde mich natürlich erkundigen, wie’s ihr geht«, sagte er in einem Podcast des Kölner Domradios. »Gegenwärtig ist sie jetzt auch schon mal von der einen oder anderen Beeinträchtigung angegriffen. Und das wird sicherlich das Erste sein, was ich tue.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Könnten Sie einer Empfehlung meines Kollegen Andreas Borcholte folgen und ins Kino gehen: »›Thunderbolts‹ ist der beste Superheldenfilm seit Jahren«, findet er. Das sei zwar auch kein allzu großes Kunststück, gemessen an jüngsten Zumutungen wie »The Marvels« (2023) und Hulk-Murks wie »Captain America: Brave New World« (2025). »Aber ein Hinweis darauf, dass man bei Disney und Marvel die Superhelden-Müdigkeit des großen Publikums verstanden hat.«
»Thunderbolts« markiere eine Rückkehr zu alten »Iron Man«-Tugenden, gewürzt mit ein wenig »Guardians of the Galaxy«-Anarchie. »Ein solide inszenierter, sehr unterhaltsam menschelnder Action-Film, der vor seiner Spektakel-Kulisse noch dazu ein ernstes und sehr zeitgeistiges Thema verhandelt – Depression und posttraumatische Belastungsstörung.« (Hier die ganze Rezension .)
Auf dass sich keine, gnihi, Thorschlusspanik breitmacht. Ihnen einen schönen Abend und einen schönen Feiertag. Am Freitag lesen Sie wieder die Lage am Morgen (hier bestellbar) von meinem Kollegen Philipp Wittrock und die Lage am Abend von meiner Kollegin Angela Gruber (hier bestellbar).
Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion
SPD-Moderator Klingbeil: Verstehen Sie Lars?
Foto: Frank Turetzek / IMAGO»Lovehansa«-Maschine: Diversität unter Druck
Foto:Oliver Roesler / Lufthansa
Lider, die glücklich machen
Foto: Image taken by Mayte Torres / Getty ImagesThomas und Agnes, damals noch Huan und My (1981): Begegnung auf hoher See
Foto: PrivatStraßenschilder nahe Bayreuth (Bayern)
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Thomas Plaßmann
Antihelden-Team »Thunderbolts«: Einen traurigeren Haufen hat das MCU noch nicht gesehen
Foto: Chuck Zlotnick / Marvel / Disney