Stoff für den Kulturkampf

Donald Trump äußerte sich fast ein bisschen spät. Eigentlich lässt der US-Präsident keine Gelegenheit aus, in der er betonen kann, wie er die liberale Linke findet: NERVIG, UNFAIR! Und was seine konservativ-patriotische Anhängerschaft ist: IM RECHT!

Eine Woche kochte die Online-Debatte zwischen liberalen Kräften und Konservativen um die »Gene-Jeans-Kampagne« von US-Jeanshersteller American Eagle hoch. Dann, am Montag, mischt sich der republikanische Präsident doch noch ein. »Sydney Sweeney, eine registrierte Republikanerin, hat die HEISSESTE Werbung, die es gibt«, schreibt er auf seiner Plattform Truth Social. Und feuert sie an: »Mach sie fertig, Sydney!«

Sydney Sweeney ist blond, blauäugig und sehr schön. Zusammen mit American Eagle veröffentlichte sie eine Kampagne, in der es auch um ihre »guten Gene« geht.

Erreicht wird das mit einem überschaubar raffinierten Wortwitz: Das englische Wort für Gene (genes) und das Wort Jeans klingen gleich.

»Genes are passed down from parents to offspring, often determining traits like hair color, personality and even eye color«, säuselt die 27-Jährige während eines Spots für den Social Media Auftritt von American Eagle unter anderem in die Kamera. Auf Deutsch heißt das etwa so viel wie: »Gene werden von den Eltern an ihren Nachwuchs weitergegeben, legen Eigenschaften wie Haarfarbe, Persönlichkeit und sogar die Augenfarbe fest.«

»My jeans are blue«, sagt Sweeney dann. (Deutsch: Meine Jeans sind blau). Und eine Männerstimme bestätigt aus dem Off: »Sidney Sweeney has great Jeans.«

Um was es hier geht, ist zumindest Interpretationssache: Gene oder Jeans? Kritik an American Eagle kam prompt. Online warfen Userinnen und User Sweeney und American Eagle Rassismus vor und verwiesen auf den von den Nazis genutzten Eugenik-Begriff. Riefen zum Boykott auf.

Im anderen Lager ist die Aufregung über die Aufregung fast noch größer. Kritik an der Kampagne wird als überempfindlich abgetan oder als Kriegserklärung an »schöne Frauen« wie Sweeney.

»Amerika erholt sich von der Wokeness ❤️«, schreibt eine Userin unter einen Beitrag mit Sweeney auf Instagram bei American Eagle. Ein anderer kommentiert: »make america hot again!« Wen er mit »hot« meint, ist klar: Sweeney.

Die 27-Jährige ist ein Superstar in den USA und für schmerzlose Werbeaktionen bekannt. Zuletzt verkaufte sie in Zusammenarbeit mit einem Herrenpflegeunternehmen eine limitierte Edition von Seifenstücken, die unter anderem mit Sweeneys Badewasser  versetzt gewesen sein sollen. Auf Ebay wurden danach Hunderte Dollar pro Seifenstück mit Sweeney-Badewasser-Odeur geboten.

Man hätte mit ihr als Testimonial sicherlich auch Jeans verkaufen können, ohne auf ihr weißes Erbgut anzuspielen. American Eagle entschied sich dagegen. Und will im Nachhinein von nichts gewusst haben.

Erst schob die Marke in den sozialen Medien nach dem Launch der Kampagne und der darauffolgenden Aufregung eilig eine Handvoll Kampagnenbilder hinterher, in denen eine Frau mit braunen Locken und dunklerer Haut als Sweeney Denim trägt . Einen Verweis auf die Gene des Models verbat man sich.

Am Wochenende folgte dann ein Posting, in dem American Eagle beteuerte, man habe wirklich mit dem Slogan »Sydney Sweeney Has Great Jeans« »immer« nur die großartigen Jeans gemeint. Und dass diese an jedem toll aussehen würden.

Im Vorfeld der Kampagne hatte der Chief Marketing Officer des Unternehmens gegenüber Fachmedien noch erklärt, dass sie »clevere, sogar provokative Sprache« enthalte und »definitiv Reaktionen hervorrufen werde.«

Im Nachgang stellt sich die Marke dumm.

Gene? Nein. Lediglich Jeans seien gemeint gewesen.

Und letztlich ist das, was gemeint war, auch nicht mehr entscheidend. Wichtig ist etwas anderes.

Kurssprung um 25 Prozent

»Das ist eine Meisterleistung in Sachen Aufmerksamkeitsökonomie«, kommentiert Sam Gauchier, Vizepräsident bei Michele Marie PR, das Vorgehen von AE beim US-Sender CNN . »Ich habe das Gefühl, dass American Eagle absichtlich auf der Welle der Kontroverse reitet, sie wissen, dass Empörung zu einer Art Währung geworden ist.« Denn letztlich sei entscheidend, wie viel Geld man als Marke verdienen könne, wie hoch der Umsatz sei und: wie oft ein Artikel angeklickt werde.

Auch wenn die Macher der Sweeney-Kampagne jegliche Absicht verneinen: Am Ende ist American Eagle ein Marketingcoup gelungen, der die Empörungskultur in den Netzwerken von Anfang an miteinbezogen hat. Ob der Hype nachhaltig ist oder das Unternehmen Kundinnen und Kunden verlieren wird, werden die kommenden Umsatzzahlen zeigen.

Zuletzt lief es nicht gut für den Jeanshersteller  und dessen Mutterkonzern, American Eagle Outfitters. Dieser verbuchte einen Umsatzrückgang im ersten Quartal des Jahres. CEO Jay Schottenstein sprach von einer »herausfordernden Zeit«. Auch die Verkäufe des Jeansunternehmens waren rückläufig.

Bevor American Eagle seine Jeans-Kampagne mit Sweeney veröffentlichte, lag die Aktie des Konzerns  bei rund 8,70 Euro. Am Dienstagnachmittag liegt sie bei 10,85 Euro. Und ist damit, zumindest kurzfristig, um rund 25 Prozent gestiegen.

Jeans schreiben, »genes« meinen? Um die Werbung ist eine Debatte entbrannt

Foto: UPI / laif

Das könnte Ihnen auch gefallen