Günstiger reisen – aber wie?
»Unser letzter Urlaub in Dänemark: Orkan. Der Wetterdienst empfahl, im Haus zu bleiben. Unser Ferienhaus war klein, das Sofa war eher ein Sessel, wir hatten nur ein Kartenspiel mit, das Schwimmbad war brechend voll, das nächste Kindermuseum noch voller. Wir stritten uns, Lagerkoller, es gab nur Nudeln mit Soße. Mann+Kinder wollten nach Hause fahren, in Hamburg waren es 25 Grad und strahlender Sonnenschein. 3200 Euro für die Katz + null Erholung. Und dann noch die Schmach, zu Hause erzählen zu müssen, dass der Urlaub scheiße war. Wir, die Travel-Loser.«
Diese ungeschönte Zusammenfassung ihres zehntägigen Familienurlaubs postete meine Kollegin Philine neulich in unseren Ressort-Chat – und hat für das nächste Jahr Pläne gefasst: »Wir bleiben zu Hause und machen alles anders«. Lesen Sie hier, was sie vorhat: 45 Ideen für gelungene Ferien zu Hause .
Wie hier in Hamburg haben nun in allen Bundesländern die Schulferien begonnen. Sogar in Bayern und Baden-Württemberg. Alle Jahre wieder denke ich: Es ist wirklich ein angenehmer Urlaubsrhythmus, den die Menschen zwischen Baden-Baden und Passau, Würzburg und Ravensburg, »fest in der DNA« haben: Der Reisehorizont reicht bis Mitte September, also mit Aussicht auf nicht mehr ganz so durchgeknallte Hochsaisonpreise. Im Juni hatten beide Länder zwei Wochen Pfingstferien – wer sich aufmachte, hatte einen Sommerurlaub zum Nebensaisonpreis. Völlig klar: Lebte ich in Süddeutschland, würde ich an diesen Vorteilen auch festhalten!
Ich weiß nicht, wie viel Sie in diesem Sommer für Ihren Urlaub mitten in der Hauptsaison ausgeben, vielleicht ohne mit der Wimper zu zucken, womöglich mehr oder weniger zähneknirschend. »Trotz aller ökonomischen und geopolitischen Herausforderungen – die Deutschen reisen! Urlaub scheint das Letzte, worauf sie verzichten wollen«, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. Für das gesamte Touristikjahr bis Oktober schätzt der DRV das Umsatzplus auf elf Prozent sowie die Zahl der Reisenden auf plus vier Prozent.
Reisen wir, koste es, was es wolle? Aktuelle Reiseanekdoten lassen Zweifel aufkommen.
Manche Ferienhausanbieter in Dänemark haben, wie ich kürzlich gelesen habe, eine Delle bei den Sommerbuchungen. Laut »Hamburger Abendblatt« weichen mehr Deutsche auf die günstigeren Randzeiten aus.
Das »Mallorca Magazin« meldet, die Lieblingsinsel der Deutschen sei in diesem Sommer zwar ausgebucht, Gastronomen und Händler hätten allerdings mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Kunden blieben aus oder konsumierten deutlich sparsamer.
In unserer Redaktionskonferenz kam neulich die Frage auf, ob es derzeit an der Ostsee leerer ist als sonst im Hochsommer. Und liegt das wirklich nur am Wetter?
Mein Eindruck ist: Es verändert sich gerade etwas. Entgegen der Jubelmeldungen von Branchenverbänden liegt in vielen Haushalten sehr wohl die Frage auf dem Tisch: Wie viel Urlaub können wir uns eigentlich noch leisten? Die gute Nachricht bei alldem ist: Mit der richtigen Dosis Flexibilität und Buchungs-Finesse geht trotz allem eine ganze Menge. Das zeigen nicht zuletzt neue Recherchen meiner Kollegen:
Philipp Laage hat zusammengetragen, wie Sie beim Reisen mit der Bahn sparen können. Seine Tipps und Special-Hacks für Fahrten in Deutschland und Europa lesen Sie hier . Artikel aus den vergangenen Wochen in Sachen Urlaubsbudget möchte ich Ihnen gern empfehlen:
Housesitterin Vanessa Lindner weiß, wie man Gratisferien macht. Sie passt auf die Wohnungen oder Häuser fremder Menschen auf. Welche Erfahrungen sie dabei macht und warum es nicht ratsam ist, ewig nach einem perfekten Haus zu suchen, erklärt sie in diesem Interview .
Ich habe unsere Autorin Bettina Hensel nicht gefragt, wie teuer ihre Leidenschaft für den Southwest Coast Trail in England ist. Die Anreise, die Übernachtungen, das Essen, klar, das alles kostet. Unterwegs, beim Wandern – egal ob an der britischen Küste, auf einer Mini-Hüttentour in den Dolomiten , auf einer Familienwanderung in der Schweiz auf heimischen Pfaden – ist so ziemlich alles Wunderbare umsonst. Kommen Sie mal mit! Hier empfiehlt Bettina ihre sechs Lieblingsetappen in Cornwall.
Und wenn gar kein Geld fürs Reisen da ist? Laut dem Statistischen Bundesamt lebt gut jede fünfte Person in einem Haushalt, der sich einen einwöchigen Urlaub an einem anderen Ort nicht leisten konnte. Unsere Autorin Isabelle Rogge ist als Kind genau einmal verreist – eine Woche lang nach Kroatien. Seit ich ihren Text »Wenn selbst das Freibad zu teuer ist« gelesen habe, weiß ich, wie unsensibel es ist, Menschen zu fragen »Wo macht ihr dieses Jahr Urlaub?« – und wie es besser geht.
Hingucker – das Bilderrätsel
In welcher Stadt in Frankreich leuchten diese Ringe?
Die richtige Antwort finden Sie am Ende des Newsletters.
Reisebüro – Ihre Frage, unsere Antwort
Von Freundinnen, Kollegen, Tanten oder Cousins werden meine Reise-Kolleginnen und ich oft um Rat oder Tipps gebeten: Was haltet ihr vom Reiseziel Kolumbien? Wo können wir als Familie gut hinfahren? Schreiben Sie uns Ihre Reisefrage an: reise.leserpost@.de . Betreff: »Reisebüro« – vielleicht können wir sie im Newsletter beantworten.
Die Frage: »Kaum ist man im Urlaub, liegt man erst mal flach. Warum, in aller Welt, ist das so?«
Die Antwort: Ich hoffe sehr, dass Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die unerfreuliche Verkettung eines sehr schönen Zustands (Urlaub!) und eines sehr blöden (Kranksein!) in Ihren Ferien erspart bleibt. Oder dass Sie schnell wieder ferienfit sind. Was die Sache nicht besser macht, aber vielleicht ein wenig tröstlich ist: Die Freizeitkrankheit ist gar nicht so selten.
»Die sicherste Methode, sie zu bekommen: bis zum letzten Tag zu arbeiten oder den Urlaub vorzuarbeiten«, sagt Reinhard Friedl, der seit 2017 auf Kreuzfahrtschiffen Passagiere behandelt. »Das Adrenalin geht hoch, das Cortisol bleibt lange erhöht, und das Immunsystem wird mit in den Urlaub geschickt – dann kommen Infekte. Auch Verspannungen, Zähneknirschen, Rückenschmerzen kommen als Stressreaktion vor. Es dauert Tage, bis der Cortisol sinkt. Man sollte es also vor einer Reise ruhig angehen lassen, um nicht krank zu werden.«
Was er als Schiffsarzt erlebt? In diesem Interview gibt Herzchirurg Friedl Einblicke in seinen ungewöhnlichen Arbeitsalltag: »Wer bei Seegang gähnt, sollte sich schnell in seine Kabine begeben und hinlegen.«
Hier gibt es Futter – für Kopf und Bauch
Reisebücher und gutes Essen machen satt und glücklich. An dieser Stelle haben wir zweierlei für Sie:
Für den Kopf: Als Thor Pedersen im Oktober 2013 losreiste, hatte der Däne ein Ziel: Er wollte ohne Flugzeug als erster Mensch jedes Land der Welt bereisen. Inzwischen liegen 3576 Reisetage, 148 Zugfahrten, 351 Bustouren und 379 Trips mit Containerschiffen hinter ihm – das Ausnahme-Abenteuer ist geglückt. Meine Kollegin Theresa Moosmann hat Pedersens aktuell erschienenes Buch »The Impossible Journey« gelesen – und hatte Fragen an den heute 46-Jährigen. Einen Mann, der – so schreibt er in seinem Buch – in seinem Leben lange das Gefühl hatte, ein »Durchschnittstyp« zu sein, »vielleicht sogar nicht einmal mal das«. Der in die Welt zog, um von der Welt wahrgenommen zu werden.
Zehn statt der ursprünglich geplanten vier Jahre war Pedersen unterwegs. Inzwischen sieht er sich als modernen Entdecker, der, so findet Theresa, mit einer Nostalgie in die Welt blickt, die aus der Zeit gefallen wirkt. »Pedersen meint sie ernst. Er hat sie zu seiner Rolle gemacht.« »The Impossible Journey« ist ein Buch für alle, die gern auf Heldenreise gehen und sich fragen, wie man solch ein Abenteuer emotional und logistisch bewältigt.
Mir gefällt übrigens Pedersens Widmung gut – eine der besten Reise- und Lebenswahrheiten überhaupt: »Für die netten Menschen auf der Welt. Und davon gibt es viele«
Das Porträt von Thor Pedersen lesen Sie hier .
Für den Bauch: Auch dafür ist der Urlaub da: um die im Alltagsüberschlag versäumten gemütlichen Frühstücksrunden nachzuholen. Chill-brr, so etwa spricht man einen ziemlich himmlischen, weil sehr köstlichen Ferientagsstarter aus: Çılbır. Die Zutatenliste für die »Türkischen Eier« ist überschaubar, sie lassen sich also sowohl zu Hause als auch bestens in jeder Ferienhausküche zubereiten (etwas Paprikapulver und Chiliflocken nehmen Sie aus der heimischen Gewürzschublade mit). Der Mix aus weich pochierten Eiern, cremigem Joghurt, würziger Butter und krossem Brot hat angeblich auch schon die osmanischen Sultane gut gesättigt.
Hier finden Sie das Çılbır-Rezept
Das war was – Reisepannen, die in Erinnerung bleiben
Mehr noch als die beeindruckenden Ruinen oder weiten Strände behält man oft im Kopf, was auf dem Weg gründlich danebenging. Welche »Das darf doch wohl nicht wahr sein«-Situation hatten Sie unterwegs zu meistern? Schreiben Sie uns an: reise.leserpost@.de . Betreff: »Reisepannen«. Einige Ihrer Antworten würden wir nach Rücksprache gern veröffentlichen.
»Ich habe schon immer viel verlegt und verloren: Schlüssel, Unterlagen, Handschuhe. Seit einem denkwürdigen Urlaubsvorfall bin ich allerdings davon überzeugt, dass das Vergessen wichtiger Dinge ein Stück weit einfach in meiner Familie liegt. Denn auf einer Rückfahrt von Süddeutschland ins Ruhrgebiet haben wir es einmal geschafft, meinen jüngeren Bruder an einer Autobahnraststätte zu vergessen.
Alle Erklärungen, wie es so weit kommen konnte, klingen im Nachhinein wie schlechte Ausreden. Ich könnte jetzt zum Beispiel ausführen, dass mein Bruder – er muss damals um die zehn Jahre alt gewesen sein – auf dieser Autofahrt allein auf der Rückbank saß und die letzten Kilometer vor der Raststätte geschlafen hatte. Ich könnte argumentieren, dass an der Stille im hinteren Teil des Autos beim Losfahren also nicht verdächtig war. Ich könnte zu meiner Verteidigung anführen, dass mein Vater und ich so vertieft in ein Gespräch waren, dass wir schlicht nicht mitbekamen, wie mein Bruder aufwachte und ausstieg, um sich ein Getränk zu kaufen.
Und weil nichts davon wirklich überzeugend klingt, könnte ich sogar zum Gegenangriff ansetzen und anmerken, dass mein Bruder auch durchaus hätte Bescheid sagen können. Unter Geschwistern darf so ein Hinweis schließlich nicht fehlen.
Aber wer wie ich zur Zerstreutheit neigt, weiß, dass es all diese Erklärungen gar nicht braucht. Es geht immer so schnell. Man passt einmal nicht auf, geht einmal mit den Gedanken auf Wanderschaft, und zack – hat man schon wieder etwas verloren. Seien es Handschuhe oder kleine Brüder.«
Maren Keller, Redakteurin im Ressort Leben
In diesem Sinne: Halten Sie die Augen offen und haben Sie schöne Sommerwochen!
Herzliche Grüße
Ihre Eva Lehnen
* Auflösung des Bilderrätsels: Die »Les Anneaux« leuchten in Nantes. Tipp: Bis zum 31. August läuft dort der Kunstsommer »Voyage à Nantes« .
Sprung ins Wasser: Willkommen in den Ferien
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Foto:Maike Thomalla / Nordlicht-Fotografie
Däne Thor Pedersen: 10 Jahre, 203 Länder, 0 Flugzeuge
Foto: Mike DouglasTürkische Eier: Ein echtes Frühstücks-Special
Foto: Sebastian Maas / Der SPIEGELStille im Auto: Da war doch wer
Foto: LB Studios / Connect Images / Getty Images